Transparenzdatenbank und Mindestsicherung
Koalition berät über Kompromiss
Das Koalitionsgerangel um Mindestsicherung und Transparenzdatenbank geht in die vorsommerlich letzte Runde. Am Nachmittag verhandelt die Regierungsspitze. Der zuständige Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) rechnet mit einem Kompromiss und geht von der Einführung der Transparenzdatenbank im Frühjahr 2011 aus.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 28.06.2010
Interview mit Minister Hundstorfer,
Länder sollen selbst entscheiden
Für den geplante Beschluss noch vor der Sommerpause wird die Zeit langsam knapp. Den Ausweg aus dem bisherigen Regierungspatt - Transparenz-Datenbank gegen Mindestsicherung - soll ein Kompromissvorschlag weisen. Demnach ist die SPÖ bereit, bei der Transparenz-Datenbank nicht auf das Okay sämtlicher Bundesländer zu warten. Die Länder sollen demnach selbst entscheiden, ob sie an dieser bundesweiten Datenbank teilnehmen.
Schrittweise Umsetzung
Hundstorfer will trotz ieser "Transparenzdatenbank light" nach und nach alle Bundesländer zur Teilnahme an dieser Datenbank bewegen. Schließlich könne man die Länder nicht zwingen, daher müsse man über die Umsetzung "step by step" nachdenken, sagte der Minister im Ö1-Interview. Es gebe noch viele Vorarbeiten, und die Zeit werde man für Gespräche mit den Ländern nützen. Hundstorfer geht davon aus, dass die Argumente Transparenz und Offenheit nicht einfach beiseitegeschoben werden könnten und "am Ende des Tages" alle Bundesländer, auch die SPÖ-geführten, dabei mitmachen werden.
Mittagsjournal, 28.06.2010
Die Länderreaktionen,
Kein kategorisches Nein
Von SPÖ-Seite waren in der Vergangenheit skeptische Töne zu hören, wenn es um die Transparenzdatenbank ging, von einem Neidkonto war teilweise die Rede. Wer deshalb jetzt ein kategorisches Nein aus den roten Ländern erwartet, der irrt. Die Wiener Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) ist abwartend, sie will zuerst genauer wissen, was unter dieser Transparenzdatenbank überhaupt zu verstehen ist. Jedenfalls müssten auch die Länder auf diese Daten zugreifen können.
Grundsätzliche Bereitschaft
Das ganze dürfe nicht in einen Bürokratiedschungel münden und müsse in einem Verhältnis zum Verwaltungsaufwand stehen, verlangt Gabi Burgstaller (SPÖ), Landeshauptfrau von Salzburg. Aber prinzipiell sei man gesprächsbereit. Ebenso das Burgenland, sagt Landeshauptmann Hans Niessl. Die Datenbank müsse jedoch umfassend sein, und auch Agrar- und Wirtschaftsförderungen enthalten. In der Steiermark drängt man auf eine bundeseinheitliche Regelung, dann sei man dabei.
"Wir sind mit an Bord"
Ähnlich das Bild in den ÖVP-regierten Ländern. Tirol hätte kein Problem mit einer Transparenzdatenbank, wenn sie umfassend ist. Auch in Oberösterreich steht man der Idee offen gegenüber, da ja nur Behörden in die Datenbank Einblick bekommen sollen. Vorarlberg zeigt sich gesprächsbereit, und wartet jetzt auf Detailverhandlungen mit dem Bund. Und die Niederösterreichische Soziallandesrätin Johanna Mikl Leitner sagt, "Wir sind hier mit an Bord." Grünes Licht für eine Transparenzdatenbank gibt es auch vom Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler von der FPK: Man werde jedenfalls ein Partner dafür sein.
Verzögerungen bei Mindestsicherung?
Was die Mindestsicherung angeht, so scheint in den meisten Bundesländern alles auf Schiene zu sein. Lediglich in Vorarlberg, Tirol und der Steiermark dürfte es knapp werden mit den entsprechenden Beschlüssen. Dort könnte es sein, dass die Mindestsicherung entweder rückwirkend ausbezahlt wird oder erst mit Jänner 2011 kommt.
Mittagsjournal, 28.06.2010
Was steckt hinter der Transparenzdatenbank, Wolfgang Werth
Suche nach "Gerechtigkeit"
Was bringt die Transparenzdatenbank wem, und warum wurde so lange darüber gestritten?Im vergangenen Oktober hat ÖVP-Chef und Finanzminister Josef Pröll in einer Rede die Idee von einem Transferkonto an die Öffentlichkeit gebracht, viele Nicht-Steuerzahler hätten Anspruch auf diverse Transferleistungen, steuerzahlende hingegen nicht. Daher sollten, so Pröll damals, in einem Transferkonto alle staatlichen Beihilfen pro Haushalt zusammengeführt werden. Er erhoffe sich, dadurch auch "mehr Gerechtigkeit".
Offene Konsequenzen
Weil aber Gerechtigkeit nicht nur durch Auflisten von Zahlen, also durch die Transparenz entsteht, lässt dies den Schluss zu, dass die ÖVP das Datenmaterial auch dazu nutzen will, um damit irgendwann letztlich Gesetzesänderungen zu argumentieren. Eine Diskussion, die zumindest dem Grunde nach nicht unangemessen erscheint, ist doch Österreich im Bereich der Subventionen mit Abstand europäischer Spitzenreiter. Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat hier Kürzungen von mehreren Milliarden Euro eingefordert.
Gegenforderung der SPÖ
Die SPÖ, die den Pröll-Vorstoß vorerst als Neiddebatte abgetan hatte, ließ sich wenig später dann doch auf die Diskussion ein, allerdings nur, wenn neben den Sozialleistungen auch die staatliche Förderungen an klassische ÖVP-Klientel, wie Bauern und Wirtschaft in die Transparenzdatenbank einfließen. Noch komplizierter wurde die Debatte, als dann in der Diskussion der nicht unberechtigte Hinweis auftauchte, dass viele staatliche Leistungen an seine Bürger ja unbarer Natur sind, wie etwa der Zuschuss für die Verbilligung einer Bundesbahn-Fahrkarte.
Und noch viel komplizierter wurde die Diskussion, als die Bundes-SPÖ darauf bestand, die Länder-Förderungen in die Datenbank einzubeziehen, nur dann sei so etwas sinnvoll. Während genau zu diesem Thema just aus SPÖ-regierten Ländern Skepsis laut wurde.
Regeln für Datenabruf
Tatsache ist, seit Sonntagabend tönt aus beiden Regierungslagern Optimismus, dass man sich Montagnachmittag auf eine Regelung einigen könnte. Über Details wird aus verständlichen Gründen vor der Schlussrunde nicht gesprochen. Fix ist, dass die Transparenzdatenbank quasi aus zwei Sichtweisen bestehen wird. Der Einzelne soll Einsicht nehmen können, wie viel ihm Vater Staat so zuschießt. Behörden wiederum sollen nur allgemeine, anonymisierte Gruppendaten erhalten, Durchschnittsberechnungen für verschiedene Bevölkerungsgruppen quasi.
Wer soll Zugang haben?
Unklar ist zur Stunde aber, wie fein ziseliert, wie genau die Förderungen erfasst werden. Ob eben Sachsubventionen und indirekte Förderungen punktgenau eingerechnet werden und eingerechnet werden können. Und zu für die Öffentlichkeit interessant wäre dann eben die Frage, wer denn dann Zugang zu den Sammeldaten bekommt. Ein Ministerium, alle Ministerien? Und wenn ja, warum eigentlich nicht auch die jeweilige Opposition, der man ja auch das Recht zugestehen müsste, anhand valider Daten über Sozial- und Wirtschafspolitik im Lande mitzudiskutieren.