Bundespräsidentenwahl in Deutschland

Berufspolitiker Wulff gegen Bürgerrechtler Gauck

Heute wird in Deutschland ein neuer Bundespräsident gewählt, und zwar von der Bundesversammlung. Drei Kandidaten treten an, wobei der Ministerpräsident von Niedersachsen Christian Wulff, der Kandidat der regierenden CDU/CSU/FDP Koalition die besten Chancen hat. Allerdings könnte es noch Überraschungen geben. Denn Joachim Gauck, der Kandidat der oppositionellen SPD und der Grünen, gilt als ernsthafter Konkurrent zu Wulff.

Wulff: Zurückhaltung und Entschlossenheit

Özil, Müller, Schweinsteiger spielen heute keine Rolle - die Fussball-WM macht Pause: Wulff und Gauck sind die beiden Namen, die heute im Mittelpunkt stehen. Christian Wullf, 51 Jahre alt, Ministerpräsident von Niedersachsen und Bundespräsidentenkandidat der schwarz-gelben Regierung mit folgender Selbstdefinition: "Zurückhaltung und Entschlossenheit. Zurückhaltende werden ja oft unterschätzt und man glaubt, die wissen nicht was sie wollen. Ich weiß das aber."

Morgenjournal, 30.06.2010

Gauck: Kämpfer für Freiheit

Joachim Gauck, 70 Jahre alt, ehemalige DDR-Bürgerrechtler, von den oppositionellen SPD und Grünen nominiert, mit einem zentralen Thema: Freiheit: "Ich bedanke mich bei denen, wegen denen ich hier stehe. Ich wundere mich. Ich gehe jeden Weg, den die bestimmen, außer er geht weg von einem Wert: der Freiheit. Den gehe ich nicht mit."

Wulffs Wahl keine gemachte Sache

Eigentlich sollte es für Wulff eine Wahl ohne Hindernisse werden, wenn da eben nicht Gauck wäre. Der ehemalige Leiter der Stasiunterlagen-Behörde, hat sich einen Namen gemacht - er wird über die Parteiengrenzen hinweg respektiert und geachtet. Deshalb haben auch viele in der CDU und FDP im Vorfeld deutlich gemacht, dass für sie nicht unbedingt Wulff der ideale Bundespräsident wäre - gerade auch in Zeiten der Wirtschaftskrise. Klar war es für einige auch ein Druckmittel gegen die eigene Kanzlerin Angela Merkel - in der CDU aber auch in der FDP sind nicht alle mit dem derzeitigen Zustand der Koalition zufrieden.

Regierung: Mehrheit von 21 Stimmen

1244 Wahlleute werden darüber entscheiden, wer der nächste deutsche Bundespräsident wird. Schwarz-Gelb hat dabei einen komfortable Mehrheit, nämlich 21 Stimmen mehr als die absolute Mehrheit. Und diese muss einer der beiden Kandidaten im ersten oder in einem zweiten Wahlgang erreichen. Wenn nicht, reicht im dritten die einfache Mehrheit.

Stimmverhalten der Linken unklar

Ob dann die Linken, die mit Luc Jochimsen zwar eine eigene Kandidaten, aber eine ohne Erfolgschance aufgestellt haben - ob die Linken dann für Gauck stimmen werden, ist äußerst fraglich. Die Linken sind gespalten. Ein paar können mit Gauck als Bundespräsident leben, vielen ist er zu neoliberal und seine harte Haltung als Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde tragen ihm einige noch nach.

Wahl Gefahr für Koalition?

Also stehen die Chancen für Wulff wieder besser. Allerdings: je mehr Wahlgänge notwendig sind, umso beschädigter wird die Regierung und Angela Merkel. Den eigenen Kandidaten mit einem Polster von 21 Stimmen nicht gleich beim ersten Mal durchzubringen, würde nicht gerade Stärke beweisen.

Morgenjournal, 30.06.2010

Gerd Langguth im Gespräch mit Andrea Maiwald