Spionage: Russland wirft den Ball an USA zurück

Intrige gegen gute USA-Russland Beziehungen?

In Russland wird die Spionageaffäre in den USA als vor allem innenpolitisches Problem der USA gesehen. Zeitungskommentatoren und auch Wladimir Putin vermuten eine Intrige gegen die in letzter Zeit verbesserten Beziehungen zwischen den USA und Russland.

Mittagsjournal, 30.06.2010

Gemeinsame Interessen

In Moskau beurteilt man die Spionageaffäre vor allem als Schlag gegen die Russland-Politik von Präsident Obama. Tenor: In den USA gebe es genug politische Kräfte, denen der neue freundschaftliche Kurs nicht passe. Die Verhaftung von elf mutmaßlichen Spionen wird aber den Reset-Kurs zwischen Moskau und Washington nicht ernsthaft belasten: Dazu sind die gemeinsamen Interessen, Stichwort: Iran, Afghanistan, zu wichtig.

Kritische Zeitungskommentare

Warum jetzt, warum in aller Öffentlichkeit, warum mit all den Requisiten eines Agententhrillers? – Die Moskauer Zeitung Kommersant etwa meinte: Der Skandal sei wenig überzeugend und völlig unnütz. Außenminister Lawrow meinte sarkastisch, so kurz nach dem demonstrativ freundlichen Empfang für Präsident Medwedjew in den Vereinigten Staaten zeuge der Zeitpunkt ja von ganz besonderer Feinheit.

Putin: Gute Beziehungen nicht in Gefahr

Bei einem Treffen mit dem früheren amerikanischen Präsidenten Bill Clinton, der gestern in Moskau zu Besuch war, scherzte Wladimir Putin, für Amerikaner sei es jetzt ja gefährlich in Moskau spazieren zu gehen, sie könnten verhaftet werden. Vor der Kamera sagte Putin zu Bill Clinton: "Sie sind ja genau zur richtigen Zeit gekommen. Eure Polizei ist euch etwas entglitten, bringt einfach so die Leute ins Gefängnis. Aber gut, das ist der Job der Polizei. Ich jedenfalls zähle darauf, dass unser guter politischer Kurs der letzten Zeit nicht durch diese Ereignisse gefährdet wird.“

Schlag gegen Obama

Die russische Presse spricht von amerikanischem Spionagewahn und titelte etwa: "Sie fangen Spione und meinen Obama". Der Wunsch, die Spionageaffäre auf die amerikanische Innenpolitik zurückzuspielen, dominiert die Analysen der russischen Sicherheitsexperten. Nach dem Reset-Programm der Obama-Administration, das ja tatsächlich zu einer deutlichen Verbesserung der russisch-amerikanischen Beziehungen geführt hat, kommt nun also der Rückschlag, der die alten Ressentiments wieder reaktivieren soll. Andrej Kortunow von der politischen Stiftung Eurasia: "In Russland und in den Vereinigten Staaten gibt es Kräfte, die einer Verbesserung der Beziehungen sehr skeptisch gegenüberstehen. Sie sind der Meinung, dass Russland und die USA Gegner bleiben und sich misstrauen sollen. Für diese Kräfte ist der Skandal natürlich ein Beweis, dass sie damit auch richtig liegen."

Russland: Spionage im Wirtschaftsbereich

Geheimtinte, drahtlose Übermittlung, vergrabene Dollarscheine, das Ganze klingt ein wenig nach Kaltem Krieg. Unklar ist auch, welchen Schaden die mutmaßlichen Spione eigentlich angerichtet haben. Dass Russland seine Wirtschaftsspionage in letzter Zeit stark intensiviert hat, das hingegen gilt unter Fachleuten als gesichert.