Neue Gewalt- und Korruptionswelle

Simbabwe - Präsident Mugabe will Alleinherrschaft

In Simbabwe greift die Partei von Langzeit-Präsident Robert Mugabe wieder nach der absoluten Macht. Derzeit wird in Simbabwe eine neue Verfassung erarbeitet. Rund um diesen Prozess gibt es laut Menschenrechtsaktivisten massive Drohungen gegen frühere Oppositionelle und zugleich auch Hinweise auf Versuche, sie zu kaufen.

Von Machtteilung keine Rede

Nach dem völligen Kollaps der simbabwischen Wirtschaft vor zwei Jahren hat Mugabe die Parlamentswahlen verloren, sich aber geweigert als Präsident zurückzutreten. Auf internationalen Druck wurde schließlich eine Einheitsregierung gebildet, die Rede war von Machtteilung, der Führer der Opposition wurde Ministerpräsident. Mugabe und seine Partei sind aber nach wie vor beherrschend, kontrollieren die Polizei und die wichtigsten Medien. Oppositionell klagen über Einschüchterung und Misshandlungen.

Oppositionelle wie Verbrecher behandelt

"Das ist mein eigentliches Haus, es ist angezündet worden, genau in der Nacht vor der Wahl 2002. Angehörige der Partei von Präsident Mugabe haben es innen angezündet und das Dach, die Möbel, alles ist zu Asche geworden", schildert der Parlamentsabgeordnete Edward Musumbu vor den verkohlten Mauern seines Hauses. Der Abgeordnete aus dem Distrikt Norton, westlich der Hauptstadt Harare gehört der Partei des früheren Oppositionsführers und jetzigen Premierministers Morgan Tsvangirai an. Ein Parteikollege hat damals versucht, die Brandstiftung zu verhindern - erfolglos. Als Oppositioneller werde man wie ein Verbrecher behandelt, sagt er und deutet auf eine große Narbe auf seiner Stirn. "Ich bin geschlagen worden auf der Polizeistation hier in Norton, aber die Täter sind nie festgenommen worden, denn hier in Simbabwe werden die Gesetze selektiv angewandt." Das war 2008.

Neue Gewaltwelle nach der WM

Demnächst aber könnte sich die Situation wieder zuspitzen, fürchtet der Aktivist: "Es gibt Gerüchte, dass es bald nach der Fußballweltmeisterschaft viel Gewalt geben wird. Ich weiß nicht was ich dann tun soll." Wegen seiner politischen Überzeugung habe er bereits seinen Arbeitsplatz verloren und seine Wohnung. Auch seine Frau sei geschlagen worden.

"Prügel, weil falsche Partei gewählt"

"Wir haben nach den Wahlen 2008 mehr als 11.000 Folteropfer behandeln müssen", sagt die weiße Menschenrechtsaktivistin und Ärztin, Frances Lovemore. Weil sie die falsche Partei gewählt haben, seien sie geschlagen worden, viele haben Mehrfach-Knochenbrüche und bleibende Schäden erlitten, so Lovemore: "Jetzt werden viele Opfer von damals mit dem Umbringen bedroht. Das ist besorgniserregend. Drohungen klingen zum Beispiel so: 'Wenn Du ohne Erlaubnis sprichst bei einer Versammlung, dann wirst Du verschwinden. Und diesmal bekommst Du nicht Schläge, sondern eine Kugel.' Auch die Kinder von Aktivisten werden bedroht - in der Schule."

Mugabe gegen neue Verfassung

All das rund um Versammlungen, bei denen derzeit eine neue Verfassung für Simbabwe erarbeitet wird - quasi basisdemokratisch - in landesweit fast 2.900 Versammlungsorten. Zeitungsberichten zufolge versucht die Partei von Machthaber Mugabe, ihre Unterstützer auf die Beibehaltung eines Präsidialsystems mit einem mächtigen Präsidenten einzuschwören.

Testlauf für Wahl

Frances Lovemore: "Das ist ein Testlauf für die nächste Wahl. Mugabes Partei will herausfinden, ob die Verantwortungsträger, die die Partei eingesetzt hat, loyal bleiben. Um die Chancen bei einer überfallsartig angesetzten Wahl zu testen."

Hauptstrategie Drohung

Wobei die Menschenrechtsaktivistin vermutet, dass Mugabes Partei wegen des internationalen Drucks versuchen wird, die nächsten Wahlen möglichst ohne neuerliche Gewaltanwendung zu gewinnen. Drohungen seien also eine Hauptstrategie.

Verlockung in die Abhängigkeit

Eine mutmaßlich zweite skizziert Moses Mzila-Ndlovu, Vize-Außenminister und Mitglied der dritten und kleinsten Regierungspartei. Er wittert im Ö1-Interview Versuche, Regierungsmitglieder der früheren Oppositionsparteien zu korrumpieren und - wie viele andere zuvor - in das Macht- und Abhängigkeitssystem von Mugabes Partei einzugliedern: "Was ich befürchte ist, dass sich viele von uns schon anstellen um Farmen, um Vieh oder um Anteile an Minen und Abbaustätten, die durch die Enteignung weißer Farmer und durch den Indigenisierungsprozess frei werden. Keiner ist sicher vor diesen Versuchen von Mugabes Partei, uns zu kaufen."

EU-Einreiseverbot für Außenminister

Die dritte Strategie von Mugabes "Zimbabwe National-Union" ist eine Inhaltliche: Der Kampf gegen sogenannte Sanktionen. Die EU etwa hat gegen 200 ranghohe Mitglieder von Mugabes Partei Einreiseverbote verhängt - unter anderem gegen den amtierenden Außenminister.

Keine Kredite mehr für Simbabwe

Und weil das Land für bestehende Schulden von rund sechs Milliarden Dollar keine Zinsen zahlt, bekommt es auch keine internationalen Kredite mehr. Auch das wird im Staatsfernsehen und im ausschließlich staatlichen Radio als Sanktion bezeichnet, ärgert sich der Vize-Außenminister: "Es gibt ein wachsendes Gefühl unter den Oppositionellen, dass wir eine verlorene Schlacht kämpfen rund um die sogenannten Sanktionen. Meine Befürchtung ist, dass sie diese Restriktionen erfolgreich als Entschuldigung nutzen - für den Kollaps der Wirtschaft in den 30 Jahren ihrer Alleinherrschaft."

Mundpropaganda statt Zeitungen

Manche Zeitungen vertreten zwar eher die die Linie der früheren Oppositionsparteien. Aber Zeitungen um ein- bis eineinhalb US-Dollar sind für die meist bitterarmen Simbabwer nicht leistbar. Sie müssen mit weniger als einem Dollar pro Tag überleben. Der Parlamentsabgeordnete Musumbu und seine Mitstreiter in dem Distrikt Norton versuchen mit Mundpropaganda gegenzusteuern. "Wir versuchen den Menschen beizubringen, dass sie ruhig zu den Veranstaltungen der National Union gehen können, wenn sie dazu gezwungen werden. Aber wenn der Wahltag kommt, dann sollen sie ihr Kreuz für Veränderung machen. "

Für Bevölkerung keine Veränderung

Doch die Simbabwer haben schon 2008 mehrheitlich für Tsvangirais Partei "Movement for a democratic Change" gestimmt. Ob sie das noch einmal tun, ist auch deshalb fraglich, weil große Veränderungen auf sich warten lassen. Die Einheitsregierung Tsvangirais mit der sich an die Macht klammernden Partei Mugabes hat bisher nur eine leichte Stabilisierung der Wirtschaft erreichen können. Bei rund 80 Prozent Arbeitslosigkeit profitiert die Bevölkerung davon kaum.

Mittagsjournal, 02.07.2010