Paul Austers neuer Roman

Unsichtbar

Die Bücher von Bestsellerautor Paul Auster sind bevölkert von geheimnisvollen Einzelgängern, die der Zufall aus dem Gleichgewicht wirft. Sein 15. Roman stellt da keine Ausnahme dar. In "Unsichtbar" führt die Bekanntschaft mit einem geheimnisvollen Dandy dazu, dass die Welt eines jungen Studenten aus den Angeln gehoben wird.

Adam Walker studiert in New York Literatur und träumt davon, Schriftsteller zu werden. In seiner Freizeit arbeitet er an Gedichten, die er hin und wieder in Literaturzeitschriften veröffentlichen kann. Wirft man einen Blick auf den Lebenslauf Paul Austers, fallen einem unweigerlich Parallelen zu seinem Romanhelden auf.

"Ich war damals auch Student an der Columbia University und meine Hauptfigur Adam Walker war 1967 gerade zwanzig Jahre alt, genau wie ich", so Auster. "Das Buch ist aber trotzdem nicht autobiografisch, in keinerlei Hinsicht", erzählt er.

Vermeintlicher Gönner

Das ruhige und beschauliche Leben seines Romanhelden wird auf den Kopf gestellt, als dieser auf einer Party einen reichen französischen Professor und dessen Freundin kennen lernt. Der rätselhafte Mann bietet ihm nämlich aus dem Nichts heraus an, Herausgeber eines neuen Literaturmagazins zu werden. Doch nach und nach entpuppt sich der vermeintlich selbstlose Gönner als gefährlicher Fatalist, der auch vor Gewalt nicht zurückschreckt.

"Man trifft in diesem Alter auf Menschen ohne wirklich zu verstehen, wer sie sind", meint Paul Auster. "Unter denen, die mir damals begegnet sind, gab es einige recht dekadente Typen. Und dieser Born ist eine Art Destillat meiner damaligen Erfahrungen."

Von den Schatten befreien

Erzählt wird die Geschichte aus einer Distanz von 40 Jahren. Walker ist schwer erkrankt, seine Tage sind gezählt, doch vor seinem Tod will er sich noch von den Schatten seiner Vergangenheit befreien, indem er sie aufs Papier bringt. Eine von seinem Gönner begangene Gewalttat und sein eigenes inzestuöses Verhältnis zu seiner Schwester haben seinem Leben damals eine tragische Wendung gegeben.

Alles scheint klar und eindeutig zu sein, doch dann kommen Walkers ehemaliger Studienkollege, Walkers Schwester und eine alte Freundin zu Wort und plötzlich gibt es mehrere Wahrheiten, aber keine mehr, der der Leser uneingeschränkt trauen kann. Die Identitäten kippen und hinter scheinbar harmlosen Träumern tun sich plötzlich dunkle Schatten auf. So rätselhaft das Geschehen auch wird, so prägnant und einfach bleibt Austers Sprache. Denn Klarheit, so meint er, kann das Beunruhigendste überhaupt sein:

"Sie erlaubt es dem Leser nämlich zu vergessen, dass es Sprache ist, über die in Büchern kommuniziert wird. Ist die Sprache klar, befindet sich der Leser innerhalb der Bedeutung der Wörter und braucht nicht mehr über sie nachzudenken. Darin besteht für mich die harte Arbeit des Schreibens: den Text ganz einfach aussehen zu lassen."

Mehr als Unterhaltung

Tatsächlich liest sich das Buch so flüssig, dass es sich kaum aus der Hand legen lässt. Ein gelungener, ein spannender, ein abwechslungsreicher Roman, denkt man beim Zuklappen. Doch dann bemerkt man ein Unbehagen und den Drang, das Buch wieder und wieder herzunehmen und es nach einer neuen, letztgültigen Wahrheit zu durchsuchen. Und spätestens da weiß man, dass Austers neuer Roman "Unsichtbar" weit mehr ist als flotte Unterhaltung.

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Paul Auster, "Unsichtbar", Rowohlt Verlag

Rowohlt - Paul Auster