Zugesagte Gelder stocken

Haiti: Von Wiederaufbau keine Spur

Ein halbes Jahr nach der Erdbebenkatastrophe in Haiti sind immer noch bis zu 1,6 Millionen Menschen obdachlos oder leben in Notunterkünften. Von Wiederaufbau ist noch nichts zu sehen. Der Traum von einem Neustart für Haiti scheint ausgeträumt.

Morgenjournal, 12.07.2010

Martin Polansky

Leben unter Planen

Die medizinische Versorgung hat sich Angaben des Vereins "Ärzte ohne Grenzen" für einen Großteil der Bevölkerung deutlich verbessert. Die Wohnsituation ist jedoch für viele Menschen noch immer prekär. Viele Haitianer leben noch immer in Zelten oder unter Kunststoffplanen. Diese böten zwar Schutz vor Sonne, jedoch nicht vor tropischen Gewittern, kritisierte die Organisation.

Düstere Realität

Viele Haitianer seien vom Tempo des Wiederaufbaus enttäuscht, und die Frustration wachse. "Es gibt eine erschütternde Kluft zwischen dem Enthusiasmus und den Hilfsversprechen der ersten Wochen und der düsteren Realität ein halbes Jahr später", betonte Landeskoordinator Stefano Zannini. Der im Juni geplante Bau von provisorischen Unterkünften habe zu langsam begonnen, Verhandlungen über die Landverteilung seien zu langwierig, heißt es im Bericht.

Hilfsgelder stocken

Auch der frühere US-Präsident Bill Clinton ist unzufrieden mit dem Tempo des Wiederaufbaus in Haiti, das vor sechs Monaten von einem schweren Erdbeben erschüttert wurde. Von der Haiti zugesagten Hilfe seien bisher nur zehn Prozent eingetroffen, beklagte Clinton in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur AP. Bei der Beseitigung der Trümmer und dem Wiederaufbau von Häusern gebe es weiter "enorme Schwierigkeiten", sagte Clinton.

Nur ein Bruchteil der Zusage

Der frühere US-Präsident ist Co-Vorsitzender einer internationalen Kommission, welche die Verwendung der zugesagten 5,3 Milliarden US-Dollar (4,19 Mrd. Euro) an Wiederaufbaugeldern kontrollieren soll. Bisher sei aber nur ein Bruchteil des Geldes wie zugesagt in Haiti angekommen, in den meisten Fällen seien stattdessen Schulden erlassen worden, erklärte Clinton. Geld gegeben hätten nur Brasilien, Norwegen und Australien. Auch die USA hätten Geld in den Hilfsfonds eingezahlt, aber nur 30 Millionen Dollar (23,7 Mio. Euro) von 1,15 Milliarden (910 Mio. Euro), die sie zugesagt hatten. Die Freigabe des restlichen Geldes hängt von der Zustimmung des US-Kongresses ab. Clinton erklärte, er wolle die Geber in der nächsten Woche noch einmal an ihre Zusagen erinnern.

Staat versagt

Kritisch gegenüber dem Staat Haiti zeigt sich der Präsident der Europäischen Caritas, Erny Gillen. Dass die Situation ein halbes Jahr nach dem Beben immer noch so furchtbar ist, führt er unter anderem darauf zurück, dass es der Staat nicht schafft, große Baumaschinen bereitzustellen. Unterschiede ortet er vor allem zwischen der Stadt und ländlichen Gebieten, wo sich sowohl bezüglich Armut als auch Schadensbehebung die Lage verbessert habe. Der Aufbau wird aber seiner Schätzung nach noch lange dauern - wie die Caritas haben sich viele Hilfsorganisationen auf Jahre hinaus eingerichtet.

Mittagsjournal, 12.07.2010