Entstehung und Aktualität
Festspiele - woher wohin?
Festivals verspüren die Konkurrenz untereinander und werden so zu Höchstleistungen angespornt, die manchmal vieles in den Schatten stellen, was das Jahr über sonst an den Bühnen läuft. Das ist es, was den Festspielgedanken ausmacht - von den alten Griechen über Wagners Bayreuth-Idee bis hin zu den Salzburger und Bregenzer Festspielen.
26. April 2017, 12:23
Kulturjournal, 15.07.2010
Bettina Figl
Feste feiern, Spiele spielen
Festspiele sind an sich gewiss so alt wie die Menschheit, weil Feste zu feiern und Spiele zu spielen war und ist wohl in jeder Kultur ein wesentliches Merkmal und ist mit dem Begriff Kultur fast kausal verbunden. Den Festspielgedanken kann man in der europäischen Kultur wohl zunächst bei den alten Griechen festmachen, die bei den Panathenäen und vielen anderen Gelegenheiten Tragödien aufführten, die die Polis und die Gesellschaft reflektierten.
Aber auch während der Dyonisien und Mysterien gab es Aufführungen und Chöre, aus denen die Entstehung des Theaters resultiert. In der Renaissance versuchte man eine Wiederbelebung, so entstand die Oper in Florenz. Und die großen Trionfi und Festzüge darf man auch als Vorläufer der Festspiele ansehen, die dann vor allem mit Richard Wagner und seinen Festspielen in Bayreuth neu einsetzten, eine Festspielflut zu Beginn des 20 Jahrhunderts und geradezu eine Epidemie am Ende desselben Jahrhunderts auslöste. 90 Jahre sind heuer etwa die Salzburger Festspiele alt, was mit einer großen Ausstellung zur Festspielgeschichte gefeiert wird.
Die Theaterwissenschaftlerin und Kritikerin Hilde Haider-Pregler zu Festspielen im Allgemeinen: "Der Festspielgedanke kam im 19. Jahrhundert auf als Reaktion gewissermaßen auf den Theateralltag. Wenn man bedenkt, dass wir ja damals noch nicht im Medienzeitalter waren, so hatten die Leute ja nicht die Möglichkeit, Künstler, von denen man viel gehört hatte, die an bestimmten Häusern in verschiedenen Städten engagiert waren, alle an einem Abend zu sehen, in einer Inszenierung. Also Festspiele sollten ein Gegenpol zum Theateralltag sein, sie sollten künstlerisch hochqualitativ sein und den Leuten die Möglichkeit geben, Theater nicht als Bildungserlebnis in der alltäglichen Welt zu haben und auch nicht als reine Unterhaltung – das ist ja der große Unterschied zu dem, was man Sommertheater nennt -, sondern eben als wirkliches Erlebnis."
Produktionen auf Welttourneen
Das eben angesprochene Medienzeitalter hat sicher auch dazu beigetragen, Festspiele zu verändern. Zum einen kann man Festspielaufführungen heute auch in Spezialsendern wie Arte oder 3sat miterleben, zum anderen touren Festspielproduktionen auch durch die ganze Welt.
"Man kann durchaus sagen, dass sich überhaupt die Struktur der großen Festivals in der Zeit der Globalisierung verändert hat", meint Haider-Pregler. "Dass hier sehr interessante Produktionen erarbeitet werden, die aber nicht für ein bestimmtes Festival charakteristisch wären, sondern die dann eben auf Reisen geschickt werden und durch die Welt touren."
Der Ruf nach Exklusivität
Auf der anderen Seite gibt es den Ruf nach Einmaligkeit und Exklusivität. Dem tragen kleiner Festivals wie Reichenau in Niederösterreich Rechnung, wo heuer Maria Happel etwa Schnitzlers Roman "Der Weg ins Freie" auf das Theater brachte.
"Also man macht sich auf den Weg nach Reichenau", so Haider-Pregler. "Das nimmt man sich vor, es ist schwierig, Karten zu bekommen. Es hat auch diese Exklusivität, es ist danach nicht mehr zu sehen an einem Theater – das dürfen Sie auch nicht vergessen! -, also das ist wirklich einmalig."
Und bevor man etwa einen "Ring" in Salzburg besucht, der schon in Aix en Provence zu sehen war, pilgert man lieber nach Erl und erfreut sich am sehr originellen "Ring" von Gustav Kuhn. Auch wird man eher gespannt sein auf eine neue "Lulu" mit Patricia Petitbon bei den Salzburger Festspielen als auf jene, die man bei den Wiener Festwochen aus Bordeaux importiert hat.
Jung und gut
Bei den Opernfestspielen Klosterneuburg ist heuer Bizets "Carmen" zu sehen - sicher ein Kassenschlager, aber zumeist stößt man dort auf interessante Umsetzungen und ein junges engagiertes Ensemble.
"Man darf nie aufgeben und nie ans Geld denken", meint Intendant Michael Garschall. "Das ist ganz wichtig, dass man einfach sucht – auch wenn's sehr lange dauert, man findet die guten Sängerinnen und Sänger, die gibt's ja, und ich bin der Meinung, es gibt sogar sehr viele, nur muss man sich auf die Suche machen. Ich glaube, dass uns das sehr viel gelungen ist in den letzten Jahren. Was mich so stolz macht ist, dass wir auch immer mehr junge Leute mit diesen Ansprüchen hierher holen."
Großes Theater
Auch bei den Sommerspielen in Perchtoldsdorf versucht man das Publikum mit einem großen Stück Welttheater zu locken, doch hat man mit Florian Teichtmeister als Hamlet vom Wiener Theater in der Josefstadt einen besonders interessanten Darsteller in einer interessanten Inszenierung zu bieten.
"Perchtoldsdorf ist vor den Toren Wiens. Der Theater-interessierte Mensch aus Perchtoldsdorf fährt sowieso nach Wien rein", so die neue Intendantin Barbara Bissmeier. "Deswegen habe ich sehr gern die Kollegen von den großen Wiener Bühnen, da kennen sie ja die meisten ganz gut, und dann schon auch – ich hab so ein Problem mit dem Wort 'Sommertheater', das ist nämlich sehr oft negativ besetzt, und wir möchten einfach wirklich gutes Theater machen, mit qualitätsvollen Stücken."
Kommerzieller Aspekt
Wie viel Dramaturgie und Fülle sich ein Festival leisten kann, hängt natürlich nach wie vor vom Budget ab. Darum buhlen die Festivals auch um die Zuschauer, denn schließlich muss hier die Eigendeckung vor allem aus dem Kartenverkauf kommen. Das gilt für kleine Festivals wie Melk oder den Carinthischen Sommer ebenso wie für die ganz großen wie Bregenz und Salzburg.
Diese stehen zudem mit anderen internationalen Festspielen in Konkurrenz wie Avignon, Edingburgh, Bayreuth oder Glyndebourne. Und auf diese internationale Klientel schaut man in Festivals wie Salzburg besonders. Bei Opern und Konzerten ist das weniger ein Problem als beim Theater. Hier helfen Übertitel oder mehrsprachige Aufführungen wie beim Young Director's Project.
"Der Gedanke, dass diese Festspiele Publikum aus aller Herren Länder anlockt, war sicher schon am Anfang gegeben, also der kommerzielle Aspekt", so die Theaterwissenschaftlerin Hilde Haider-Pregler. "Es wäre auch eine Mythisierung der Vergangenheit, wenn man ableugnete, dass nicht bereits in den mythenumrankten Gründerjahren - Max Reinhardt, Richard Strauss, Hugo von Hoffmannsthal, Alfred Troller usw. - nicht auch gesellschaftliche Events dagewesen wären."
Dass Festivals, die ausschließlich der reinen Unterhaltung und dem Promiauftrieb dienen, heute im Gegensatz zu früher die schlechteren Karten haben als jene, die sich der Kunst und der spirituellen Muße widmen, ist ein Trend, der sich wohl in den nächsten Jahren noch mehr verstärken wird. Und da ist man schon wieder zurück beim altehrwürdigen, hehren Festspielgedanken.
Textfassung: Ruth Halle