Das Royal Tyrell Museum in Drumheller
Im Reich der Dinosaurier
Etwa hundert Kilometer nordöstlich von Calgary in Kanada erstrecken sich die sogenannten Badlands, eine spektakuläre Mondlandschaft. Hier fanden schon einst Indianer riesige Knochen, die sie für Büffelknochen hielten. Tatsächlich wurden sie später von Forschern als Dinosaurier-Knochen identifiziert.
8. April 2017, 21:58
Ein paar niedrige Häuser mit Flachdächern, weite Straßen, einige bunt gestrichene Holz-Villen mit Veranda, Service-Center und Grocery-Stores aus Beton, einige Ziegelhäuser, Ahornalleen und dazwischen jede Menge bunter Dinosaurier aus Kunststoff, Relikte aus den 1960er Jahren – das ist der erste Eindruck von der 8.000 Einwohner Stadt Drumheller.
Sie liegt inmitten einer Mondlandschaft aus sanften Sandsteinwellen. Stets changiert das Umland in den unterschiedlichen Beige-Tönen, im Herbst kommt das Rotgold des verfärbten Laubes dazu. Etwas außerhalb vom Zentrum in einem kleinen Park, steht das Wahrzeichen der Stadt: mit 26 Metern der weltgrößte Tyrannosaurus Rex, viermal größer als die einst hier ansässige Spezies.
In seinem aufgerissenen Maul befindet sich eine Aussichtplattform, die man über eine Treppe im Inneren des Riesendinos erreichen kann; unter den Beinen des grünen Ungetüms mit den gewaltigen Reißzähnen ist das Besucherzenrum der Stadt untergebracht. Ein multifunktioneller Dinosaurier.
Alberta-Saurier zur Begrüßung
Touristen kommen vorwiegend wegen der Dinosaurier: Auf dem Dinosaur Trail, einem schönen Rundweg durch die Badlands, reisen sie an und landen unweigerlich im Royal Tyrell Museum, etwas außerhalb von Drumheller. In die graubraunen Sandstein-Hügel geduckt, fällt der riesige gleichfarbige Flachbau, der immerhin weltweit das größte Museum ist, das sich ausschließlich mit Paläontologie befasst, zunächst gar nicht auf. Das weitläufige Gebäude ist Museum, Erlebnis-Parcours und Forschungsstätte zugleich. Gleich im Eingangsbereich einer riesigen Halle, aus der urtümliche Laute dringen, werden die Besucher von einer ganzen Herde nachgebildeter Alberta-Sauriern begrüßt.
35 Saurier-Arten gefunden
Die wissenschaftliche Arbeit in den Badlands ist eine einzige Erfolgsgeschichte: Immerhin konnten in diesem Gebiet Überreste von 35 verschiedenen Dinosaurier-Arten, die aus der Kreidezeit stammen, gefunden werden. Ein wahrer Dinosaurierfriedhof war das Red Deer River Valley. Nirgendwo auf der Welt wurden an einem Ort so viele unterschiedliche Arten gefunden, nicht einmal im Dinosaur Natural Monument von Utah.
Dazu kommen noch Fossilien von Schildkröten, Flugsauriern, Krokodilen, Reptilien und Fischen. Mehr als 120.000 Fundstücke und 50 komplette Skelette machen das Royal Tyrell Museum zum weltweit größten Aufbewahrungsort von prähistorischen Artefakten und zu einer paläontologischen Forschungsstätte, denn die Arbeit im 7.330 Hektar großen Dinosaur Provincial Park geht weiter. Jedes Jahr im Sommer werden neue Ausgrabungsstätten eröffnet.
Die Arbeit dieser Wissenschafter können Besucher direkt im Museum mitverfolgen: Für alle gut sichtbar arbeiten einige der Forscher im Präparationslabor hinter einer Glaswand. Der Raum wirkt wie eine Mischung aus Steinmetzwerkstatt und Laboratorium. Es gibt Lupen, Schleifmaschinen, Absauggeräten, Mikroskope, Bürsten und Pinsel.
Forscher bei der Arbeit
Die Museumsbesucher, die sich zumeist von einem mehrsprachigen Audioguide führen lassen, können beobachten, wie Knochenfunde vorsichtig gesäubert, registriert und präpariert werden. Zuweilen verlassen die Wissenschaftler auch ihre gläserne Arbeitstätte und beantworten auch Fragen der Besucher. Es gibt keine Berührungsängste, in Kanada ist man locker.
Alle Forscher werden auf Schautafeln mit Foto, Lebenslauf und ihrer wissenschaftlicher Arbeit vorgestellt. Zusätzlich flimmern in regelmäßigen Abständen Filme auf den Flatscreens, die ebenfalls Einblicke in den aktuellen Forschungsstand geben.
In der großen abgedunkelten Dinosaurier-Halle werden auf mehreren Ebenen rekonstruierte Skelette präsentiert, nein geradezu inszeniert: Scheinwerfer bringen die gewaltigen Knochen effektvoll zur Geltung: ein vollständiges Triceratops-Skelett, ein sogenanntes Drei-Horngesicht, ist da zu sehen, etliche Flugsaurier, Alberta-Saurier, Panzersaurier, Entenschnabelsaurier und ein Paar Dimetrodon, auch genannt "Doppelmaß-Zahn" - in Originalgröße.
Eine paläobotanische Ausstellung gibt Einblicke in die Pflanzenwelt zur Zeit der Dinosaurier und in einem angeschlossenen wohltemperierten Wintergarten gedeihen Schachtelhalme, Farne, Moose und Koniferen, die auch schon in der Kreidezeit existierten, also vor 65 bis 70 Millionen Jahren.
Sonderausstellungen wie jene über Darwins Evolutionstheorie werden jedes Jahr ausgetauscht. Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Forschungsabteilung können im Zuge von Wechselausstellungen einem größeren Publikum sehr schnell vorgestellt werden.
Zusätzlich sind etliche edukative Programme auf die vielen Schulklassen, die das Royal Tyrrell Museum besuchen, zugeschnitten. Man kann Größenvergleiche anstellen: Ein 14-jähriges Mädchen zum Beispiel reicht einem Alberta-Saurier gerade einmal bis zum ersten Gelenk des Hinterbeins. Außerdem erfährt man anhand von anschaulich gestalteten Erdkugeln von den ökologischen Veränderungen in den einzelnen Epochen und kann sich auf eine interaktive Reise in die Vergangenheit machen. Höchst anschaulich werden die unterschiedlichen Themen aufbereitet – passend für alle Altersstufen. Man gewinnt Einblicke ins Reich der Amphibien und die prähistorische Unterwasserwelt. Gegen Ende des Rundgangs wird auch das Ausstreben der Spezies thematisiert.
Ein Teil der Natur
Im Royal Tyrell Museum ist man auf Komplexität bedacht, meint der Wissenschafter Donald Brinkman, und man will auch die Besucher anregen, über die globalen Zusammenhänge nachzudenken: "Als Paläontologe erkennt man, dass es der Lauf der Zeit ist, dass gewisse Lebewesen verschwinden, manche Tiere aussterben – das gehört dazu. Aber man stellt schon auch unglaubliche Verluste fest, denn die Vielfalt an Lebewesen stellt die eigentliche Stärke der einzelnen Ökosysteme dar - inklusive uns Menschen. Als Paläontologe weiß man, dass wir nicht von der Natur isoliert, sondern eigentlich ein Teil von ihr sind. Wir sind auch biologische Wesen, die einen Einfluss auf andere haben, so wie die anderen einen Effekt auf uns haben."
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