IWF fordert weitere Maßnahmen
Parlament beschließt Bankensteuer
Ungarn ist unter Druck: Internationaler Währungsfonds (IWF) und EU verweigern die Auszahlung von Hilfsgeldern, weil ihrer Ansicht nach der Sparkurs der Regierung nicht weit genug geht. Die ungarische Regierung meint aber mit einer Bankenabgabe auszukommen, die heuer rund 700 Millionen Euro einbringen soll. Das Parlament stimmt über die Einführung dieser Sondersteuer ab.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 19.07.2010
Aus Budapest,
Abstimmung ist Formsache
Die nationalkonservative Alleinregierung unter Premierminister Viktor Orban argumentiert, dass mit Hilfe der zusätzlichen Einnahmen aus der Bankensteuer das noch von der sozialistischen Vorgängerregierung angepeilte Defizit von 3,8 Prozent des BIP gehalten werden könne. Die Abstimmung im ungarischen Parlament gilt als Formsache, weil die Regierungspartei Fidesz eine zwei Drittelmehrheit hat.
0,45 Prozent der Bilanzsumme
Die Sondersteuer soll heuer und vermutlich auch in den nächsten zwei Jahren eingehoben werden. Sie gilt für alle Finanzdienstleister, die in Ungarn tätig sind, also nicht nur für Banken, sondern auch für Leasingfirmen oder Versicherungen. Die Abgabe berechnet sich aus 0,45 Prozent der Bilanzsumme. Die Branche beurteilt das als "recht üppig". Die Regierung argumentiert, ohne die Bankenabgabe wäre sie zur Einführung weiterer, noch härterer Sparmaßnahmen gezwungen.
Die Banken sind bis zuletzt gegen die Abgabe Sturm gelaufen. In Briefen an Ministerpräsident Viktor Orban warnten sie, die Bankenabgabe verteuere die Kredite in Ungarn und schwäche die Kapitalkraft der Institute.
Notkredit blockiert
IWF und EU hingegen meinen, dass die Bankenabgabe allein zu wenig sei, um das Defizitziel von 3,8 Prozent zu erreichen. Um die Regierung zu weiteren Maßnahmen zu zwingen, hat der IWF am Wochenende die Auszahlung zweier Tranchen des 20-Milliarden-Euro-Notkredits vorerst blockiert. Dieser Notkredit wurde Ungarn vor zwei Jahren gewährt und verhinderte den Finanzkollaps des Landes.
Mittagsjournal, 19.07.2010
Das hochverschuldete Ungarn kommt unter Druck - die Währung Forint verliert an Wert, Paul Schiefer
Regierung bleibt hart
Es sind keine guten Nachrichten für Ungarn, die heute früh von den Finanzmärkten kommen: das Vertrauen in die Landeswährung Forint sinkt, der Kurs hat im Vergleich zum US-Dollar um 2,7 Prozent nachgegeben. Auch der ungarische Aktienmarkt muss Federn lassen - mit einem Minus von über 4 Prozent.
Schuld sind die Meinungsverschiedenheiten über den Sparkurs Ungarns. Der Internationale Währungsfonds und die EU sind nicht mit dem zufrieden, was die neue ungarische Regierung anbietet. Deswegen gibt es keine weiteren Hilfszahlungen, die Verhandlungen sind unterbrochen.
Weitere Einschnitte kommen aber wiederum für die ungarische Regierung nicht in Frage. Man sei zu keinen weiteren Sparmaßnahmen bereit, sagt Finanzminister Matolczy im ungarischen Fernsehen. Und er macht klar, dass man die Bankenabgabe braucht, um heuer unter die vereinbarten 3,8 Prozent beim Budgetdefizit zu kommen.
Abgabe trifft auch Österreichs Banken
Österreichs Banken, allen voran Erste Bank und Raiffeisen, sind stark in Ungarn engagiert. Aus diesem Grund wären sie stark von der Bankenabgabe betroffen. Neben Ungarn planen auch andere EU-Staaten eine Bankenabgabe, eine einheitliche Regelung zeichnet sich derzeit nicht ab.
Morgenjournal, 19.07.2010
Raiffeisen und Erste betroffen,
Steuer trotz Verlust
Raiffeisen trifft die Bankensteuer in Ungarn besonders hart, weil die Bank in Ungarn im Vorjahr keinen Gewinn, sondern einen Verlust von rund 17 Millionen Euro gemacht hat. Weil die Steuer aber mit 0,45 Prozent der Bilanzsumme festgelegt wird, müsste Raiffeisen trotz des Verlustes jetzt aber rund 35 Millionen Euro Steuer bezahlen. Der Generaldirektor der Raiffeisen Zentralbank, Walter Rothensteiner, warnt deshalb, "man spielt hier mit dem Feuer". Gemeinsam mit anderen Vorschriften wie höherer Einlagensicherung werde das dazu führen, dass keine Bank mehr Gewinne macht. "Man sollte aufpassen, dass man es nicht übertreibt", so Rothensteiner.
Hoffnung auf "Vernunft"
Ähnlich wie Raiffeisen ist auch die Erste Bank stark in Ungarn engagiert. Sie würde von der dortigen Bankensteuer ebenfalls stark getroffen. Sie müsste heuer rund 44 Millionen Euro dafür bezahlen, das entspricht rund drei Viertel des gesamten Gewinns in Ungarn. Rothensteiner, der als Obmann in der Wirtschaftskammer alle Banken vertritt, hofft daher, "dass doch noch Vernunft eintritt." Ungarn sollte sich als EU-Land an die Vorgangsweisen der EU halten, so Rothensteiner.
Keine einheitliche Vorgangsweise
Allerdings, von einer einheitlichen Vorgangsweise innerhalb der EU ist man weit entfernt. So plant Österreich ebenfalls eine Bankenabgabe, die ab nächstem Jahr rund 500 Millionen Euro zur Budgetsanierung beitragen soll.
Am meisten will Großbritannien von seinen Banken: Die britische Regierung plant eine Steuer auf der Grundlage des Eigenkapitals der Banken, die umgerechnet rund 2,4 Milliarden Euro bringen soll.
Auch Frankreich will seine Banken zur Kasse bitten, Details sind aber noch nicht bekannt.
Deutschland will ab nächstem Jahr ebenfalls eine Bankenabgabe einheben, die rund 750 Millionen Euro bringen soll, wobei Deutschland das Geld in einen Fonds einzahlen will, mit dem künftige Krisen der Banken abgefangen werden könnten.
Belgien, das derzeit die Ratspräsidentschaft innehat, drängt unterdessen auf eine einheitliche politische Vereinbarung bis Jahresende.
Die USA werden ihre Banken übrigens nicht zur Kasse bitten, Ende Juni hat die Regierung den Plan für eine Bankensteuer wieder verworfen.