Daniel Kehlmann plaudert aus dem Nähkästchen

Lob über Literatur

Neues von Daniel Kehlmann: Nach dem Weltbestseller "Die Vermessung der Welt" und dem Kurzgeschichtenband "Ruhm" schreibt Daniel Kehlmann jetzt "Über Literatur" - mit Lob für große Schriftsteller und Kritik am Literatursystem plaudert er aus dem Nähkästchen.

Daniel Kehlmann liebt die Literatur aus vollem Herzen, so viel wird schnell klar. Genauso gerne wie er selber Bücher schreibt, verfasst er auch Kritiken über Bücher anderer Autoren - und kommt dabei immer wieder zu dem fast schon pathetischen Schluss, "dass das Schreiben zu den wichtigsten Unterfangen gehört, denen ein Mensch sich in seinem kurzen Leben hingeben kann, dass in dieser gefallenen Welt kaum etwas so viel Hingabe verdient wie die Literatur."

Die Großen der Literaturgeschichte

15 seiner jüngsten Kritiken, Aufsätze, Festreden und Vorlesungen hat der Rowohlt-Verlag jetzt gesammelt unter dem Titel "Lob. Über Literatur" herausgegeben. Darunter ist auch die Eröffnungsrede bei den Salzburger Festspielen 2009, in der Kehlmann mit einer harschen Kritik am deutschen Regietheater für Wirbel in der Kulturszene sorgte. Es ist der zweite solche Sammelband, nachdem 2005 bereits "Wo ist Carlos Montúfar? Über Bücher" erschien.

Auch diesmal geht es wieder um die Großen der Literaturgeschichte: Von Thomas Bernhard über Samuel Beckett und Thomas Mann bis hin zu Shakespeare - und der ist für Kehlmann der allergrößte: "Shakespeare ist so absurd gut, dass das eigene Literatendasein gemessen an ihm sofort fraglich erscheint."

Daheim sitzen und Geschichten ausdenken

Klug und belesen scheut sich Kehlmann nicht, über große Schriftsteller zu schreiben und zu urteilen. Meistens fallen die Urteile aber positiv und wenig überraschend aus. So ist beispielsweise der "Roman eines Schicksallosen" des Nobelpreisträgers Imre Kertész auch für Kehlmann ein "Werk, das nicht untergehen wird, solange Menschen Bücher lesen."

Aber der 1975 in München geborene Kehlmann schreibt nicht nur über andere, sondern erzählt in mehreren im Buch abgedruckten Vorlesungen auch von sich selbst und seinen Schwierigkeiten mit der Schriftstellerei. "Es ist ein seltsamer Beruf. Ein wenig lächerlich für einen erwachsenen Menschen. Sie sitzen daheim und denken sich Geschichten aus, die nie passiert sind."

Dass für ihn trotzdem nie etwas anderes in Frage kam, versteht sich von selbst, aber unverstanden fühlt sich Kehlmann immer noch: "In meinen Romanen ging es mir immer um das Spiel mit der Wirklichkeit (...) und es gehörte zu meinen bedrückendsten Erlebnissen als Schriftsteller, dass so etwas einfach nicht verstanden wird."

Schwierige Anfänge

Kehlmann erzählt auch von seinen schwierigen Anfängen. Nach der Veröffentlichung seines ersten Romans "Beerholms Vorstellung" sei er von seiner Agentin gebeten worden, für zwei Tage zu Presseterminen nach München zu kommen. Aber damals wollte ihn noch niemand interviewen - so dass Kehlmann unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren musste. Sein nächstes Buch, "Unter der Sonne", wurde vom Verlag versehentlich nicht in das Verzeichnis Lieferbarer Bücher eingetragen - und war damit erstmal gar nicht zu kaufen.

Erst 2003 kam mit "Ich und Kaminski" der Durchbruch für Kehlmann. Zwei Jahre später gelang ihm mit "Die Vermessung der Welt" ein Bestseller, der in mehr als vierzig Sprachen übersetzt wurde.

Aber auch der plötzliche Erfolg war nicht immer einfach für den zurückgezogen in Wien und Berlin lebenden Autor. "Der Ruhm ist (...) eine Glückskatastrophe, die bewirkt, dass man es dann, zumindest für eine Weile, weniger mit Freuden und Qualen der Formulierung zu tun hat als mit chinesischen Raubdrucken, mit katalanischen Fehlübersetzungen und mit Steuerprüfern."

Service

Daniel Kehlmann, "Lob. Über Literatur", Rowohlt Verlag

Daniel Kehlmann