Vorfälle von 1943 bis in die 90er-Jahre
Missbrauchsfälle: 256 Meldungen
Gewalt und sexuelle Gewalt von Erziehern an Heimkindern gab es auch in staatlichen Heimen. Betroffene können sich an die Kinder- und Jugendanwaltschaften wenden. 256 Meldungen über Gewalt und über sexuellen Missbrauch liegen vor. Die Vorfälle reichen von 1943 bis in die 1990er Jahre. Und die Meldungen weisen auf "strukturelle Gewalt" hin.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 20.07.2010
Strukturelle Gewalt als Erziehungsmethode
Kinder, die in Heimen untergebracht wurden, hätten vor allem Liebe gebraucht, sagt die oberösterreichische Kinder- und Jugendanwältin Christine Winkler-Kirchberger. Auch oder gerade wenn sie schwer erziehbar waren. Schließlich hatten sie schon vor der Heimunterbringung ein schweres Schicksal. Doch Betroffenen zufolge gab es für viele statt Liebe strukturelle Gewalt. "Es ist erzählt worden, dass diese Jugendlichen in den späten 70er, Anfang 80er Jahren in einem Isolierraum über eine Woche eingesperrt wurden. Meist ohne Kleidung, es gab nur eine Matratze und nur eine Mahlzeit am Tag. Die Jugendlichen wurden von den Erziehern "in der Runde geschlagen", wie sie es nannten. Die Erzieher haben die Jugendlichen in der Reihe aufgestellt und haben die Jugendlichen geboxt und geschlagen. Es steht außer Frage, dass dies strafrechtliche Tatbestände sind. Das war auch damals keine tolerierte Erziehungsmethode", erklärt Winkler-Kirchberger weiter.
Jugendliche "tätowierten" Kind
Diese konkreten Berichte beziehen sich auf das Landesheim Linz-Wegscheid, sagt die Kinder- und Jugendanwältin. Wobei die Gewalt auch von anderen Jugendlichen ausgegangen und offensichtlich von den Erziehern toleriert worden sei. Ein Heimkind, so Winkler-Kirchberger, wurde fast jeden Abend von sieben bis acht Jugendlichen misshandelt. "Sie haben ihn festgehalten und am Boden niedergedrückt. Durchschnittlich ist er einmal in der Woche "tätowiert" worden. Dieser Mann hat am ganzen Körper "Tätowierungen", eigentlich sind das Verunstaltungen", erzählt die Kinder- und Jugendanwältin.
Vorwürfe gegen Caritas-Heim
Dass sich Betroffene an die oberösterreichische Kinderanwaltschaft wenden können, ist noch gar nicht publik gemacht worden. Trotzdem haben sich schon sieben gemeldet, auch mit massiven Vorwürfen das im Vorjahr geschlossene Caritas-Heim Steyr-Gleink betreffend. In Wien haben sich seit März 53 Betroffene aus 22 Einrichtungen gemeldet, Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits sagt: "Es hat Übergriffe von Jugendlichen an Jugendlichen gegeben, aber auch Vergewaltigungen. In einem Fall wurde angegeben, von einem Erzieher vergewaltigt worden zu sein."
Nicht überall Ansprechstellen
In Tirol gab es seit März die meisten Meldungen an die Kinder- und Jugendanwaltschaft. Rund 180, etwa 90 von Betroffenen und 90 von Zeugen. Kinder wurden demnach etwa gezwungen, Erbrochenes aufzuessen, mit Stöcken geschlagen und in zehn Fällen sexuell missbraucht. Wobei sich in Tirol ein Drittel der Meldungen auf kirchliche Einrichtungen bezieht. Bei der Vorarlberger Kinderanwaltschaft sind 16 Meldungen eingegangen. Die übrigen Bundesländer sind Großteils noch gar nicht aktiv geworden und haben keine Ansprechstellen für Betroffene eingerichtet
Mittagsjournal, 20.07.2010
Entschädigungszahlungen für Gewaltopfer in Landesheimen vorerst nur in Tirol angedacht.
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- Sexuelle Gewalt