Auf Augenhöhe mit den Krähen
Über den Dächern von Sansibar
Reisende, die sich mittels kartographischen Druckwerks einen Überblick zu verschaffen suchen, müssen sich in Sansibar anders behelfen. Denn in Stone Town, der historischen Altstadt, sind weder Straßennamen noch Stadtpläne gängig. Also auf nach oben!
8. April 2017, 21:58
Die Front des Gebäudes blickt auf den Indischen Ozean und das Hafengelände, während ringsum Stone Town hervorragend zu überblicken ist. Atemberaubend ist die Dachlandschaft Stone Towns nicht. Es gibt keine breiten Boulevards, die das Stadtgefüge gliedern, keinen Hauptplatz und auch keine Fernsehtürme oder Hochhäuser, die von weither sichtbar als markante Sehenswürdigkeiten taugen könnten. Stone Town ist ein organisch gewachsener, historischer Stadtteil, ein Irrgarten an kleinen Gässchen.
Selbst bei gleißendem Sonnenschein kommt man beim Durchqueren der Altstadt nicht ins Schwitzen, schildert der Architekturhistoriker Abdul Sheriff, ist man doch im Gassendickicht durchwegs im Schatten unterwegs.
"Architektonische Details, wie die berühmten aus Holz geschnitzten Sansibarischen Türen, arabische Innenhöfe oder indische Geschäftsportale wird man von oben nicht studieren können", sagt Sheriff. Dennoch entdeckt man auch von oben Hinweise auf die kulturellen Einflüsse, die Stone Town ausmachen. Sansibar hat eine lange Geschichte als Handelsknoten an der Ostküste Afrikas. Als Treffpunkt unterschiedlicher Kulturen, wo Religionen ungestört nebeneinander existieren. Man sieht etwa die bunt bemalte Spitze des Hindu-Tempels, wo sich die indische Gemeinde trifft. Außerdem sieht man einige wenige Minarette der über fünfzig Moscheen.
Die Swahili-Kultur mischte sich auf der Insel Sansibar mit der Arabischen und der Indischen. Mit der Kolonialisierung durch Großbritannien kam das anglikanische Christentum hinzu. Seit man auf den Fremdenverkehr setzt, machen sich zu Aussichtsrestaurants ausgebaute Terrassen in der Dachlandschaft bemerkbar, dazwischen sind Wassertanks, Handymasten und Satellitenschüsseln auszumachen. Wie andernorts, aber doch unverkennbar.
Auch der Klang der Stadtlandschaft Sansibars ist eigentümlich, besonders in der Dämmerung. Autos fahren nur an den Außenrändern der Altstadt.
Rad- und Mofafahrer klingeln oder hupen, wenn sie in den engen Gassen um die Ecke biegen. Händler preisen ihre Ware an, und Kinder spielen Ball. Über allem liegen die Schreie der Krähen, die seit 1891 in Sansibar leben. Damals hat der britische Gouverneur ihre Ansiedlung angeordnet, um dem Abfallproblem Einhalt zu gebieten. Mittlerweile gelten die Vögel als Plage, da sie ansässige Arten bedrohen, indem sie Nester ausrauben. Ihre Dreistigkeit ist beeindruckend und unverzeihlich, von Sansibar aus erschließen sie das Festland Tansanias.