7.000 Opfer jährlich

Menschenhandel: Drehscheibe Österreich

Bis zu vier Millionen Personen fallen jährlich Menschenhandel zum Opfer. Betroffen sind vor allem Kinder und Frauen. Das besagt eine aktuelle Studie der "International Labour Organisation". Auch Österreich ist durch seine zentrale Lage in Mitteleuropa betroffen. Konkrete Zahlen gibt es keine, die internationale Organisation für Integration schätzt jedoch allein in Wien die Zahl der Opfer auf 7.000 pro Jahr.

Morgenjournal, 07.08.2010

Verena Gleitsmann

Rechtslage zu schwach

Falsche Versprechungen, Vorwände und Schwärmereien von einem besseren Leben - Jahr für Jahr fallen tausende Frauen Menschenhändlern zum Opfer. Was die meisten Frauen jedoch tatsächlich erwartet, ist die Hölle auf Erden: Prostitution, Gewalt, Ausbeutung und finanzielle Erpressung. Es sind sklavereiähnliche Zustände. Und das betrifft nicht nur die Prostitution, sondern auch die Ausbeutung im privaten Bereich, beispielsweise Hausangestellte, Putzpersonal oder Pflegerinnen. Die Rechtslage für gehandelte Frauen ist jedenfalls immer noch prekär.

Erpressung und Psycho-Tricks

Der Verein "LEFÖ" ortet vier Faktoren: Die Frauen werden in ihren Heimatländern angeworben, ins Land gebracht, in Privatwohnungen untergebracht und zum Arbeiten gezwungen. Das verdiente Geld wird ihnen sofort von den Händlern abgenommen. Die meisten werden erpresst, damit sie nichts erzählen. "Täter arbeiten mit psychologischen Tricks, lassen beispielsweise religiöse Frauen auf den Koran schwören, nichts zu sagen oder drohen, ihren Kindern und Familien in den Heimatländern etwas anzutun", sagt Evelyn Probst von der LEFÖ-Interventionsstelle für Opfer von Frauenhandel.

Anrecht auf Aufenthalt

Seit einem Jahr hat sich die Situation für Opfer von Frauenhandel in Österreich verbessert. Mit dem neu geregelten Bleiberecht haben die Frauen nun Anrecht auf Aufenthalt in Österreich. "Wenn sie den Behörden nachweisen können, dass sie Opfer von Frauenhandel im Sinne der Paragraphen 'Grenzüberschreitender Prostitutionshandel" oder "Menschenhandel' sind, bekommen sie Aufenthalt", sagt Probst. Der Aufenthalt wird für mindestens sechs Monate bewilligt und so lange verlängert, wie das Strafverfahren dauert. Das ermöglicht nun auch Berufungen auf gerichtliche Entscheidungen, die zuvor nicht möglich waren. Betroffene haben auch Anrecht auf Schadenersatz und können vor dem Arbeitsgericht um ihre Löhne kämpfen.

Bürokratische Hürden

Trotzdem stoßen die Frauen immer wieder auf bürokratische Schwierigkeiten, vor allem, wenn sie aus armen sozialen Verhältnissen kommen. "Für Frauen ist es oft sehr schwierig, denn viele haben keine oder eine schlechte Bildung und sind Analphabeten", sagt die Menschenrechtsaktivistin Joana Reiterer vom Verein "Exit". Sie betreut vorwiegend Frauen, die aus afrikanischen Staaten nach Österreich gebracht worden sind. "Auch die Aufenthaltserlaubnis ist nicht automatisch eine Arbeitserlaubnis, die Frauen müssen dann schwierige bürokratische Hürden überwinden, um hier arbeiten zu können", sagt Reiterer.

In einem sind sich die NGOs also einig: Zwar sei die Situation schon besser, eine sichere Zukunft erwarte die Opfer von Menschenhandel in Österreich aber noch lange nicht.

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