Filme aus der Dhow Region
Filmfestival in Sansibar
Sansibar ist eine Insel im Indischen Ozean vor der Ostküste Afrikas, und gehört als Teilrepublik zu Tansania. Auffällig ist, dass es – gemessen an der Einwohnerzahl und angesichts der Abgelegenheit der Insel – eine reichhaltige, professionelle Kulturszene gibt.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 10.08.2010
Von den jährlichen Festivals schaffen es kurioserweise gleich zwei sansibarische Kulturveranstaltungen in die Top-Ten-Hitliste der Afrika-Gesamtausgabe des Reiseführers "Lonely Planet": Jeden Februar zieht das Busara Musikfestival viele Besucher an, und auch das Zanzibar International Film Festival präsentiert seit über zehn Jahren ein ambitioniertes Programm. Und das auf einer Insel, die über kein einziges Programmkino verfügt, geschweige denn Filmproduktionen hervorbringt.
Diversität im Film
Als "der Welt aufregendstes Filmfestival" feierte die ostafrikanische Zeitung "The Guardian" das Zanzibar International Film Festival, kurz ZIFF, anlässlich seiner Eröffnung Mitte Juli. Wenn die Schlagzeile auch übertrieben sein mag: Tatsache ist, dass das Zanzibar International Film Festival mit seiner Mischung aus Filmprogramm, Kunstausstellungen und Konzerten, Maßstäbe setzt – wenn schon nicht in der Welt, dann zumindest in Ostafrika.
Martin Mhando, seit fünf Jahren Leiter des Festivals, sagt: "Wir wollen zeigen, dass es verschiedene Arten von Filmschaffen gibt, die kulturell geprägt sind. Klarerweise sieht ein iranischer Film anders aus als ein kanadischer, in dem es sich um die Inuit handelt. Das Publikum soll verstehen: es gibt nicht nur eine Filmkultur, sondern viele."
Austausch von Kultur statt Handelswaren
Der geografische Schwerpunkt liegt auf Filmen aus einer Region, die "Dhow Countries" genannt wird. Die Dhau – auch Logo des Festivals – ist ein traditionelles Segelboot, mit dem Händler von Sansibar aus in die Welt aufbrachen, quer über den Indischen Ozean.
Als Verkehrsmittel für kürzere Seestrecken ist die Dhau in ihrer jahrhundertelang erprobten Bauart heute noch in Gebrauch, vor allem wird sie aber gerne als Symbol verwendet für den transozeanischen, kulturellen Austausch.
Zu den "Dhow Countries" gehören Pakistan, Indien, Malaysia, Singapur, Indonesien und eben Sansibar und die Küstengebiete Ostafrikas. Obwohl, wirft Martin Mhando ein, eigentlich umfasst seine Definition der Dhow Region ganz Afrika.
Freier Eintritt für alle
Erstmals waren heuer - durch eine Förderung der sansibarischen Regierung - sämtliche Filme des Programms für die Einwohner kostenlos zugänglich. Die ZIFF-Veranstaltungen leiden zwar sonst nicht an Besuchermangel, aber für viele Sansibaris sind selbst moderate Eintrittspreise nicht leistbar.
Die Kultur des gemeinsamen Filmeschauens zu revitalisieren ist eines der Anliegen von ZIFF. Eine Kultur, die in der Frühzeit des kommerziellen Kinos auch in Sansibar blühte, wovon heute noch elegante Filmpaläste zeugen. "In den 1930er Jahren gab es Filme aus Indien, Ägypten und natürlich aus Europa zu sehen", so Mhando, doch in den 1970er und 80er Jahren wurden erstklassige Filme rares Gut. Die sozialistische Regierung ließ nur zweitklassige amerikanische Filme durch. Und indische Filme, die viele Besucher anzogen. Die Leute strömten in die Kinos.
Leere Filmpaläste
Erst mit einer drastischen Anhebung der Kinoeintrittspreise Anfang der 1980er Jahre blieben die Säle leer. Alle Kinos in Tansania wurden mit einem Schlag ruiniert, erzählt Martin Mhando, mit langfristigen Folgen: Die Leute verlernten das Filmschauen.
Kein einziges Kino in Sansibar ist heute noch in regulärem Betrieb. Das mondäne Art-Deco-Gebäude des Cine Afrique wurde zwar unlängst renoviert, jedoch um einen Supermarkt darin unterzubringen. Und der Filmpalast Majestic wirkt wie ein desolates Geisterhaus, das an den Glamour vergangener Zeiten erinnert.
High-Tech im Dorf
Vor diesem Hintergrund wurde 1998 das Zanzibar International Film Festival gegründet, um die Filmkultur zurückzuholen auf die Insel Sansibar und der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, gesellschaftlich relevante Produktionen zu sehen. Dazu verlässt man die Stadt auch gen Land: An mehreren Abenden werden ausgewählte Filme des Programms in improvisierten Freiluftkinos gezeigt.
Auf die hohe Qualität der Projektion wird Wert gelegt, beteuert Martin Mhando: "Wir ziehen mit einer High-Tech-Ausrüstung von Dorf zu Dorf. Die Leute wissen das auch zu schätzen: guten Klang und beste Bildqualität. Und warum sollten wir ihnen - nur weil sie am Land wohnen - weniger bieten? Auch durch den Einsatz dieser Technik wollen wir die Wertschätzung für die Filmkultur fördern."