Behörden-Hürdenlauf für Christo

Stoffbahnen "Over The River"

Wenn Verpackungskünstler Christo sein neues Projekt "Over The River" beschreibt, scheint er es schon vor Augen zu haben. Bevor er jedoch die 60 Kilometer des Arkansas River im Süden des US-Bundesstaates Colorado zwei Wochen lang überspannen darf, muss er noch hohe bürokratische Hürden überwinden.

Kulturjournal, 13.08.2010

Fan-Unterstützung erwünscht

"Wir brauchen die Erlaubnis der Bundesregierung, des Bundesstaates Colorado, zweier Landkreise, elf verschiedener Verwaltungsbehörden und zweier privater Unternehmen", zählt Christo auf. Der 75-jährige Künstler sitzt in seinem Atelier in New York, das in einem unscheinbaren, schmalen Haus in der Nähe des quirligen Stadtteils Chinatown untergebracht ist. Mit unverkennbarem Stolz zeigt er auf die beiden dicken Ordner, die dort neben dem weißen Sofa liegen. Es ist die 2.000 Seiten dicke Bewertung seines Kunstprojekts durch das "Bureau of Land Management", eine Art US-Landverwaltungsamt.

Diese Beurteilung unter ökologischen, wirtschaftlichen und touristischen Gesichtspunkten steht auch der Öffentlichkeit zu Verfügung. Bis zum 30. August 2010 haben Christo-Fans aus aller Welt die Gelegenheit, dem Amt ihre Begeisterung oder ihr Missfallen kundzutun.

"Wir haben gerade Hunderte von Briefen an unsere Freunde in Deutschland und der ganzen Welt geschickt. Wenn sie möchten, dass das Projekt realisiert wird, sollten sie an die US-Bundesregierung schreiben oder mailen", erklärt er. Er kämpft auch mit großem persönlichen Einsatz: Immer wieder fliegt er nach Colorado, um dort bei Vorträgen für sich zu werben, Kritiker und Anrainer dürfen ihre Bedenken bei Anhörungen äußern.

Spektakuläre Sonnenuntergänge erwartet

Wellen aus schimmernden Stoffbahnen bewegen sich sanft im Wind über dem Canyon, Kajakfahrer darunter können von den Stromschnellen aus Wolken und Bergketten erahnen, und am Ende des Tages locken spektakuläre Sonnenuntergänge, verzaubert durch das silberfarbene Gewebe. So der Plan.

"Das größte Problem ist bei allen unseren Projekten, dass die Leute finden, dass es zu viel Verkehr gibt, zu großer Andrang herrscht, dass die Besucher, die auf der Straße fahren, um zu schauen, eine zu große Belästigung sind. Und natürlich gibt es auch Diskussionen um Kunst. Viele denken, dass es gar keine Kunst ist", so Christo.

Aus Erfahrung weiß er aber auch, dass es nicht darum geht, einzelne Personen zu überzeugen. "Wir müssen eine Atmosphäre erzeugen, einen Konsens, dass das Projekt es wirklich wert ist".

Mit Jeanne-Claude geplant

"Over The River" ist das erste Kunstprojekt in seiner Karriere, das er alleine durchziehen muss. Geplant hatte er es noch mit seiner Frau und künstlerischen Partnerin Jeanne-Claude. Sie ist im vergangenen Jahr unerwartet an einer Hirnblutung gestorben. Das Paar hatte sich versprochen, dass der eine nach dem Tod des anderen weitermachen wird. Und so spricht Christo weiterhin von "unserem Projekt".

Wenn die Kunstwerke von Christo und Jeanne-Claude eines auszeichnet, dann ist es die zähe Geduld, mit der die beiden ihre ausgefallenen Ideen immer schon verfolgt haben. Das war 1995 bei der Verpackung des Reichstags in Berlin so, und auch 2005 beim letzten gemeinsamen Projekt "The Gates" mit den orangeroten Stoffbahnen im New Yorker Central Park. Vom ersten Entwurf bis zur Ausführung dauerte es manchmal Jahrzehnte.

So lange hofft Christo dieses Mal nicht warten zu müssen. Im kommenden Frühling entscheidet sich, ob "Over The River" alle bürokratischen Hürden gemeistert hat. Dann soll die Vision von den schimmernden Stoffbahnen über dem Arkansas River 2013 Wirklichkeit werden. Wenn nicht, dann müsse er das Projekt eben aufgeben, sagt Christo.