Letztjähriger Locarno-Sieger kommt ins Kino

Nothing Personal

Beim letztjährigen Filmfestival von Locarno wurde ein Film gleich sechsmal ausgezeichnet und sorgte bei Kritikern und Publikum für einige Überraschung. Die niederländisch-irische Gemeinschaftsproduktion "Nothing Personal" nimmt sich nämlich eines Themas an, das so ganz entgegen dem Zeitgeist zu liegen scheint: der Suche nach ungetrübter Einsamkeit.

Kultur aktuell, 17.08.2010

Einsamkeit ist etwas Edles

Warum die junge Frau ihre Wohnung kündigt und ihrer niederländischen Heimat den Rücken kehrt, wird nicht weiter erklärt. Beobachtet man sie aber dabei, wie sie in ihrem grünen Parka und ihrem Rucksack durchs verregnete Irland wandert, dann hat das so gar nichts von einer verzweifelten Realitätsflucht. Regisseurin Urszula Antoniak: "Einsamkeit ist in 'Nothing Personal' etwas Edles und nicht etwas Mitleid Erregendes. Bei uns im Westen wird Einsamkeit ja gerne als etwas Negatives dargestellt. Wer allein ist, gilt gleich einmal als Verlierer und wer heute auf Facebook nicht mindestens 300 Freunde hat, gilt als unbeliebt."

Harte Vorbereitungen

Die aus Polen stammende und in den Niederlanden arbeitende Urszula Antoniak hat mit "Nothing Personal" ihren ersten Kinofilm abgeliefert. Um die Einzelgängerin glaubhaft auf die Leinwand zu bringen, verlangte sie von ihrer Hauptdarstellerin Lotte Verbeek einige Überwindung. So musste diese als Vorbereitung drei Wochen ohne Musik, Spiegel oder menschliche Gesellschaft verbringen, und durfte während der Dreharbeiten keine Aufnahmen von sich sehen. Im Film wird die Einsamkeit übrigens gestört, als die Frau in einem Haus an der Küste einem von Musik und Büchern umgebenen Einsiedler begegnet.

Das Rätsel Mensch

Der Film "Nothing Personal" gibt wenig aus dem Vorleben seiner Figuren Preis. Nur in einem Nebensatz erfährt man da etwa, dass der Mann vor Jahren seine Frau verloren hat. Umso genauer beginnt man Mimik und Gestik der beiden zu beobachten. Dennoch bleiben sie rätselhaft. Regisseurin Urszula Antoniak: "Was Menschen letztendlich antreibt, ist viel zu komplex, um durchschaut werden zu können. Die Hollywood-Filme machen uns etwas vor. Da geht es darum, in den ersten zehn Minuten die Figuren vorzustellen. Anschließend muss der Zuschauer genau wissen, mit wem er es da auf der Kinoleinwand zu tun hat. Das ist aber eine Illusion, die ich auf keinen Fall bedienen will."

Nach anfänglicher Zurückhaltung willigt die junge Frau ein, für den Mann zu arbeiten. Sie sticht Torf, hilft ihm im Garten aus und wird dafür von ihm verköstigt. Geld will sie keines und auch sonst verweigert sie jedes persönliche Gespräch. Regisseurin Urszula Antoniak: "'Nothing Personal' dreht sich um eine zentrale Frage im Leben. Wie viel muss ich über meinen Nächsten wissen, um ihn oder sie zu mögen, oder ein Vertrauensverhältnis zu ihm aufbauen zu können."

Naturwüchsig

Die dritte Hauptrolle im Film spielt die ungezähmte Natur der irischen Westküste. Das Unheimliche der deutschen Romantik, erzählt Antoniak, habe sie bei der Auswahl der Drehorte beeinflusst, die Gemälde von Caspar David Friedrich genauso wie die Lieder Franz Schuberts. Dessen "Winterreise" untermalt dann auch die langsame Annäherung zwischen den beiden Einsiedlern. Allein wegen dieser außergewöhnlichen Beziehung fernab jeglicher Klischees sollte man sich "Nothing Personal" nicht entgehen lassen.

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