Kunstintervention in ehemaliger NS-Schule

Neue Ausblicke

Mit einer künstlerischen Intervention werden in der ehemaligen Nazi-Eliteschule Vogelsang umfassende Baumaßnahmen eingeleitet. Christine Thon und Lars Beuse haben die Namen der von den Nazis verfemten Autoren in die Fenster gekratzt, um den Blick auf die umgebende Landschaft im deutschen Nationalpark Eifel zu verändern. Aus der NS-"Ordensburg" soll 2011 ein Ort der Toleranz und Bildung werden.

Das unangenehme Geräusch macht Gänsehaut. Christine Thon kratzt mit einem Stift in das harte Fensterglas. Erst die Summe der Kratzer ergeben einen Sinn: Hemingway, Tucholsky, Ringelnatz, Feuchtwanger - 131 Namen, die die Nazis am 16. Mai 1933 im Börsenblatt des Deutschen Buchhandels auf die Verbots-Liste setzten. Ausgerechnet in der früheren Elite-Schule der Nationalsozialisten in der Eifel kann man plötzlich nicht mehr daran vorbeischauen.

Riesenhafter Komplex

Die drei bearbeiteten Fenster sind Teil der Fensterfront mit einer grandiosen Aussicht über den Urftsee und die umliegenden Wälder. Wenn man ganz nah herangeht und hinausschaut, zerfällt die Landschaft in kleine Fragmente, ebenso die dicken Mauern des zentralen Adlerhofs. "Wir wollen Vogelsang etwas kleiner machen", sagt Beuse - und meint das sinnbildlich.

Tatsächlich drückt sich in Vogelsang nationalsozialistischer Größenwahn aus: Ein Gebäudekomplex mit 70.000 Quadratmetern Nutzfläche, geschickt inszeniert in großartiger Landschaft. Vogelsang ist heute das größte Denkmalschutzprojekt in Nordrhein-Westfalen. Nichts signalisiert die neue Haltung der Region deutlicher als der moderne Namenskonstrukt des Betreibers "Vogelsang ip". Das "ip" steht für "internationaler Platz" und für die angestrebte Neuinterpretation Vogelsangs als Ort der Toleranz, des friedlichen Miteinanders und der intensiven Naturbegegnung.

Großer Umbau geplant

Das Nazi-Bauwerk Vogelsang verändert sich - äußerlich sichtbar, spätestens im nächsten Jahr, wenn die Bagger anrollen. Für 40 Millionen Euro entstehen ein Besucherzentrum mit einer Dokumentation zur NS-Geschichte, Ausstellungen über den Nationalpark und die Eifel. Außerdem ist 2011 Baustart für die Jugendherberge. Zudem wird der Bildungsbereich massiv ausgebaut. Von den 180.000 Besuchern 2009 nahmen 51.000 an Workshops, Führungen und anderen Veranstaltungen teil.

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