Eine Spam-Oper

Gain Extra Inches

Verführung auf schrille Art, die Widerspiegelung unserer niedrigsten Bedürfnisse nach Sex und Geld, das bietet die bizarre Welt der Spam-Mails. Die freie Musiktheatergruppe progetto semiserio macht das Spam-Mail-Unwesen nun zum Stoff für einen ganzen Abend. Gezeigt wird die Spam-Oper im Schauspielhaus Wien.

"Gain Extra Inches" lautet der Titel in Anlehnung an die vielen Werbemails, die Medikamente zur Vergrößerung der Männlichkeit anpreisen. Doch keine Sorge, pornografisch geht es nicht auf der Bühne, sondern nur in den Texten zu.

Kulturjournal, 24.08.2010

Eine neue Idee

Komponist Periklis Liakakis lässt Gesang und Gesprochenes ineinander fließen, wechselt zwischen den Genres und hat ein Kammerorchester aus Akkordeon, Saxophon, Kontrabass und Elektro-Theremin zusammengestellt. Nicht nur die Musik hat Liakakis zum Projekt beigetragen, auch die Idee, eine Spam-Oper zu machen, stammt von ihm - eine Idee, die vor ihm noch niemand gehabt habe, sagt der Komponist.

Authentische Spam-Texte

So zusammenhanglos wie die Spam-Mails, die sich im virtuellen Mistkübel aneinander reihen, ist auch diese von der deutschen Regisseurin Annika Haller inszenierte Spam-Oper konzipiert. Das Libretto besteht zu 80 Prozent aus authentischen Spam-Texten, die sich zu keiner echten Handlung formen.

Das sei ganz bewusst passiert, erklärt Georg Steker. Der Leiter des progetto semiserio hat für die Spam-Oper das Konzept entworfen und das Libretto geschrieben.

Den Spammer verkörpert der Bariton Bartolo Musil; er schlüpft immer wieder in verschiedene Rollen und Kostüme und wirbt exzentrisch für Potenzpillen oder Kredite. Nur einmal lässt er das Publikum hinter die Fassade blicken und erklärt in der Rolle eines Gangster-Rappers, was ihn eigentlich dazu antreibt, Spam-Mails in die Welt hinauszuschicken.

Bühnenbilder aus Pappe

Das Chrysler-Building, ein Schlagzeug und diverse andere Skulpturen, alle aus Pappe, prägen das Bühnenbild. Als eine Art Animierdame steht Bartolo Musil die Sopranistin Genoveva dos Santos zur Seite, die Schauspielerin Katrin Schurich spielt eine von der Spam-Flut gestresste und entsprechend aufgeladene Userin.

Den Begriff des Musiktheaters ständig neu zu definieren, ist der Leitgedanke des progetto semiserio. Zusammen mit anderen freien Musiktheatergruppen wie dem sirene Operntheater von Kristine Tornquist oder Thomas Desis zoon Musiktheater versuchen sie in der Opernstadt Wien, neue Wege zu finden. Zeitgenössisches Musiktheater, sagt Georg Steker, das solle nicht zuletzt aktuelle Themen behandeln. Was gibt es da wohl Geeigneteres als das absurde Alltagsphänomen des Spam-Mails.

Service

progetto semiserio, "Gain Extra Inches", 24. bis 31. August 2010, Schauspielhaus Wien,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).

progetto semiserio
Schauspielhaus Wien