Rundgang durch die Architekturbiennale Venedig
Die neue Bescheidenheit
"People meet in architecture " ist das Motto der 12. Architekturbiennale. In gewisser Weise ruft diese Biennale das Ende einer Architektur aus, die sich in ihrer Pracht vor allem selbst feiert. Menschen und ihre Bedürfnisse sollen das Maß der Bauten sein - dieses Architekturverständnis heftet sich Kazujo Sejima auf die Fahnen; sie leitet heuer als erste Frau die Architekturbiennale.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 30.08.2010
Mehr als umbauter Raum
Tritt man aus dem Sonnenlicht in den etwas abgedunkelten ersten Raum des Arsenale, ruht dort einfach ein natürlich geformter gewaltiger Granitblock. Hinein geschlagen ist ein Loch in das sich zwei Menschen kauern könnten. Als sicheres Refugium vor dem großen Erdbeben ist diese schlichte Behausung gemeint.
Es ist die Antwort des chilenischen Architektenduos Radic/Correra auf das große Erdbeben, das in diesem Februar Chile verwüstet hat. So meint Kazuyo Sejima das Motto "People meet in architecture": es ist nicht Architektur, mit der Architekten sich selber huldigen, sondern Architektur, wie Menschen sie brauchen. Mehr als das: Nicht nur gebaute Räume sind das Thema.
Für Sejima ist Architektur die Gestaltung aller Räume, in denen Menschen leben. Also auch die Erde, die sie Bewohnen. Das mehr oder weniger heimliche Thema dieser Biennale ist nämlich der Umgang mit den Ressourcen, wie Biennalepräsident Paolo Baratta erklärt. Die Menschheit gibt sich als Gipfel der Schöpfung mit ihrem verfeinerten Geschmack in Sachen Mode und Küche, wie kann es dann aber sein, dass die Menschen so üble Konsumenten in Hinblick auf die Umwelt sind.
Die Kunst des Innehaltens
Eigene Diskussionsreihen zu diesem Thema fanden vor dem italienischen Pavillon statt. Veranstaltet von der Harvard University und hochkarätig besetzt mit dem Künstler Olafur Eliasson etwa oder dem Architekten Rem Kohlhaas, der heuer mit dem Goldenen Löwen für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Rem Kohlhaas sagte in einer dieser Diskussionen etwa in Hinblick auf die Erhaltung von Gebäuden, am liebsten würde er oft einfach nichts tun.
So minimalistisch ist heuer die gesamte Ausstellung des Arsenale von Sejima. Sie hat weit weniger Architekten eingeladen, als dies in den letzten Jahren der Fall war. Dadurch kommen die einzelnen Objekte der Ausstellung sehr gut zur Geltung. Sejima zeigt damit: es geht nicht um das höher und schneller in der Architektur, sondern um das inne halten. Sehr gut veranschaulicht das ein Film von Wim Wenders über sprechende Häuser. Sie sprechen entweder in Versen wie Shakespeare oder sie flüstern nur schüchtern.
Sehr gut veranschaulicht diese Unaufdringlichkeit ein Kunstraum, den Sejima entworfen hat: er schmiegt sich so an einen Hügel, dass er kaum sichtbar ist. Wie Menschen sich in Architektur treffen veranschaulicht auch eine Klanginstallation der Künstlerin Janett Cardiff, in der sie 40 separat aufgenommene Stimme auf 40 Lautsprecher in einem anderen Raum der Ausstellung verteilt.
Man kann deutlich den Sound von einem Lautsprecher zum nächsten springen hören.
Inszeniertes Arsenal
Daneben sind auch immer wieder einfach die klassischen Modelle von Bauten zu sehen, wie etwa Taichung Metropolitain Opera House, das Toyo Ito in Taiwan baut. Ein paar Schritte weiter ist man dann gleich wieder beim Kommunikativen Aspekt der Architektur, wenn etwa der Kurator Hans Ulrich Obrist in einem Raum lauter Bildschirme aufgebaut hat, auf denen man sieht, wie er die renommiertesten Architekten der Welt über ihre Architekturverständnis interviewt.
Sehr schwül ist es dann in dem Raum, in dem Transsolar & Tetsuo Kondo Architects aus Deutschland eine Wolke rekonstruiert haben. Als wichtigen Teil der Atmosphäre und sichtbaren Teil des Wasserkreislaufes. Die Besucher können auf einer wunderschön geschwungenen Eisenbrücke mitten in die Wolke hineingehen.
Einen Raum weiter ist man dann überrascht, im Raum von Ishigami Architects, nichts zu sehen als ganz dünne Fäden, die kreuz und quer im Raum Markierungen setzen. Etwa 10 Architekten auf Arbeitstischen arbeiten hektisch vor sich hin. Ist das die Rekonstruktion eines japanischen Architekturbüros? Auf Nachfragen erfährt man, dass noch vor der Eröffnung die Installation zusammengebrochen ist.
Ein richtiges Architekturbüro aus Indien ist dann aber im Nebenraum zu sehen. Sehr anschaulich, mit Stapeln von recycleten Hölzern oder Kupferstücken. Auf diese Weise hat Kazuyo Sejima im lockeren Nacheinander sehr unterschiedliche Aspekte ihres Thema aufbereitet. Man schlendert durch die Räume des Arsenale - eine 32 Hektar große ehemalige Schiffswerft, deren Bau im 12. Jahrhundert begonnen wurde - und sieht erstmals die Schönheit dieser Räume bei Tageslicht. Bei früheren Biennalen waren die Fenster meist durch die Fülle der Objekte verstellt.
In den Giardini
Auch Nebenan, in den Giardini halten sich viele Pavillons an das von Sejima ausgegebene Motto. Etwa der serbische Pavillon, der von der Architektengruppe Skart mit kleinen Pflanzen ausstaffiert wurde, die auf eigenwilligen Gefährten stehen, die aus Alteisen zusammengeschweißt wurden. Entsprechend einem alten serbischen Gedicht von Vasko Poppa, in dem sich eine Frau ein Bäumchen wünscht, das ihr auf der Straße nachfolgt, werden diese Bäumchen auch durch Venedigs Straßen gezogen. Jeder Stein und jedes Loch wird da zum Problem, was die Sensibilität deutlich macht, die die Natur erfordert.
Andere Architekten wieder machen sich über die Natur wenig Gedanken, wie etwa MOS architects, die vor dem amerikansiche Pavillon riesige Wettballons tanzen lassen. Sie bestehen aus Aluminium. Auf die Frage, ob sie wiederverwertbar seien, kommt nur ein überraschtes Staunen.
Auch der österreichische Pavillon, den der Amerikaner Eric Owen Moss kuratiert hat ist eine architektonische Leistungsschau im herkömmlichen Sinn. Eric Owen Moss hat Arbeiten von 64 Architekten in den österreichischen Pavillon gepfercht. Die Ökofrage ist für ihn nur ein Randaspekt.
Das Gegenstück ist der kroatische Beitrag. Da Kroatien seit der Trennung Jugoslawiens keinen Pavillon mehr in den Giardini hat, hat man einen schwimmenden Pavillon auf einem Floß gebaut, ganz schlicht und filigran aus Baustahlgitter. 15 Architekten haben das in Gemeinschaftsarbeit gemacht, ohne sich dabei persönlich profilieren zu können, wie der Kurator erklärt
Leider wurde der kroatische Pavillon auf der Reise von Kroatien nach Venedig bei dem Wettersturz am Wochenende zerstört. Er ist nie angekommen.
Trotzdem, es ist die spannendste und sinnlichste Architekturbiennale seit Jahren.
Textfassung: Joseph Schimmer