Antworten auf die Herausforderungen der Zeit gesucht
Architekturbiennale Venedig
Zum ersten Mal heuer wird die Architekturbiennale von einer Frau geleitet: Kazuyo Sejima, die 1995 das Architekturstudio SANAA in Tokio gegründet hat und erst heuer mit dem Pritzkerpreis ausgezeichnet wurde. Das internationale Architekturgeschehen wird heuer unter dem Thema: "people meet in architecture" präsentiert.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal 27.08.2010
Christian Fillitz im Gespräch mit Sabine Oppolzer
Mit 46 Teilnehmern im riesigen Areal des Arsenale und 53 Nationen, die sich in den Länderpavillons der Giardini präsentieren, ist die Architektur-Biennale Venedig in ihrer 12. Ausgabe von 29. August bis 21. November wieder der Treffpunkt für das internationale Nachdenken über Baukultur. "People Meet in Architecture" hat die japanische Biennale-Direktorin Kazuyo Sejima zum Motto gewählt. Hier treffen sich die Leute und Liebhaber schon am heutigen ersten Preview-Tag - in einer gewaltigen Aneinanderreihung unorthodoxer Raumkonzepte.
Kultur Aktuell, 27.08.2010
Ein Streifzug durch die Arsenale führt durch Räume voller Nebel, voller fragilster japanischer Fieberglasinstallationen, voller schwerer, vermeintlich prähistorischer Gerätschaften, die allesamt "neue Wege des Lebens ausdrücken", wie Sejima in ihrem Programm schreibt. Raum zu nutzen, um Ideen für eine neue Welt zu materialisieren, das ist für die japanische Pritzker-Preisträgerin, die als erste Frau den Direktoren-Posten innehat, eine Definition für die Profession des Architekten.
Als leuchtendes Beispiel wird heuer der niederländische Architekt Rem Kohlhaas mit dem Goldenen Löwen für sein Lebenswerk ausgezeichnet, der "die Möglichkeiten der Architektur ausgeweitet" habe. Zusätzlich wird es weitere Preise geben, für die beste nationale Teilnahme, das beste Projekt in der internationalen Ausstellung und den "Silbernen Löwen" für einen vielversprechenden jungen Architekten.
Den Pavillon von Josef Hoffmann sieht man nicht mehr. "Aber ich versichere Ihnen, er ist noch da", scherzte Kommissär Eric Owen Moss bei der Pressekonferenz zum österreichischen Pavillon auf der 12. Architekturbiennale Venedig. "Austria Under Construction", so das Motto. Aber es ist nicht der Eindruck von Baustelle, der bleibt: Zwischen und auf den Gerüsten spielt sich eine runde, gefällige Leistungsschau ab, mit dem gelungenen Twist, sich mit Architektur sowohl aus als auch in Österreich zu schmücken. Morgen, Freitag, wird der Pavillon eröffnet.
"Architektur ist ein Spiegel und ein Motor der Gesellschaft", betonte Kulturministerin Claudia Schmied (S), und der österreichische Beitrag sei als ein "klares Bekenntnis zu Weltoffenheit" zu verstehen. Es könne, streute Moss Rosen, "wohl kein eindeutigeres Signal für Kommunikationsbereitschaft geben, als einen Architekten aus Los Angeles als Kommissär zu beauftragen".
Um zu sehen, was Österreich architektonisch für die Welt geleistet hat, muss man den Pavillon auch gar nicht betreten: Gleich von der Fassade blicken Aufnahmen, etwa von Hans Holleins SBF Tower im chinesischen Shenzhen oder von Anna Heringers handgemachter Lehm- und Bambusschule in Bangladesh in die Giardini-Landschaft. Auch Feichtinger und Pruscha, Cool Himmelb(l)au und Raimund Abraham lassen den Pavillon als zugkräftiges Österreich-Team in Leistung verschwinden.
Wo, wenn nicht vor solcher Fassade, passt eine spitze kleine "Anlehnung an die Lehrer-Debatte", wie Schmied bemerkte: "Tiroler Architekten bauen nicht nur in Tirol - sondern in der ganzen Welt."
Und die ganze Welt baut auch in Tirol: Zaha Hadid etwa, mit der "Nordpark Stadtseilbahn". Aufnahmen von Bauten internationaler Architekten in Österreich zieren das Innere des Pavillons auf einer Plane, die als riesiger Tunnel durch den Raum gespannt ist. Auf der Fotomontage zum Durchschreiten darf freilich der von zahlreichen internationalen Büros zu errichtende neue WU Campus ebenso wenig fehlen wie die Neue Oper Linz von Terry Pawson.
Im hinteren Bereich hat sich Moss - nicht zuletzt auf ausdrücklichen Wunsch der Ministerin - der Lehre gewidmet und von den heimischen Architekturklassen, aber auch von internationalen Schulen mit österreichischen Lehrenden "Objekte" anfertigen lassen. Fast wie bei der Kunstbiennale fühlt man sich hier, zwischen den Skulpturen, die den enthusiastischen Glauben Studierender an das Mögliche und Unmögliche atmen.
Prototypen für Türme, Baukonzepte aus Leder und Holz, aus Hängetopfpflanzen und aus Blumenmeeren, der "Tiger von Venedig" als stylischer Riesen-Setzkasten und trendig bekleidete Barbiepuppen als Indikatoren für Größenrelationen. Ein gefälliger, fröhlicher Auftritt der architektonischen Lehre und ein wohltuendes Gegengewicht zum allzu Gewichtigen der großen Namen.
Text: APA; Red, Audio: ORF