Erlebnisse müssen "unter die Haut gehen"

Begeisterung beeinflusst Gehirnwachstum

Zahlreiche Studien belegen, dass das Internet das am häufigsten genutzte Medium der Jugendlichen zwischen elf und 19 Jahren ist. Bei den am Wochenende zu Ende gegangenen Technologiegesprächen im Rahmen des Europäischen Forum Alpbach ging es darum, welche Auswirkungen das Internet auf das Gehirn hat.

Begeisterung hilft beim Lernen

Unser Gehirn sei weitaus plastischer und passe seine Arbeitsweise stärker an die Art seiner Nutzung an als bislang angenommen, ist das Ergebnis der Diskussionen. Digitale Medien können das Gehirn regelrecht verändern - beziehungsweise wer mit Freude das Internet nutze, der schaffe in seinem Gehirn neue Verschaltungen, schildert der Hirnforscher Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie und Leiter der Zentralstelle für Neurobiologische Präventionsforschung der Universitäten Göttingen und Mannheim. Das Gehirn werde so wie man es benutzt. Wichtig sei dabei, dass man es mit Begeisterung nutzt, meint er.

"Es liegt daran, dass es unter die Haut gehen muss, damit im Hirn diese sogenannten emotionalen Zentren angehen. Die liegen tief im Mittelhirn - das sind Nervenzellen mit langen Fortsätzen, die in alle anderen Regionen reichen, vor allem auch in die höheren. An deren Enden werden immer dann, wenn uns etwas unter die Haut geht, die neuroplastischen Botenstoffe ausgeschüttet", sagt der Wissenschaftler.

Motivation für die Nervenzellen

Die neuroplastischen Botenstoffe seien wie Dünger fürs Gehirn, meint er weiter: "Sie können dahinterliegende Nervenzellen dazu bringen, dass sie gewissermaßen noch einmal neue Gensequenzen aus dem Zellkern abschreiben, noch einmal neue Eiweiße herstellen, die gebraucht werden, um neue Fortsätze, neue Kontakte zu bilden oder bestehende Kontakte fester zu machen."

Suchtgefahr in der Realität bekämpfen

Das bringt Gerald Hüther zur Begeisterung von jungen Generationen für neue Medien: "Man wächst über sich hinaus. Das Problem ist, man wächst aus der Wirklichkeit heraus", schildert er die Gefahr.
Das könne mitunter in eine Art Sucht führen, wenn Bedürfnisse durch Computerspiele oder in Kommunikationsplattformen im Internet leichter als in der realen Welt befriedigt werden.

Kinder und Jugendliche könnten verlernen, Gemütsregungen in der Realität zu verarbeiten. Gefährdet seien vor allem Kinder, die sich ausgeschlossen fühlen. Damit Jugendliche nicht der Sogwirkung von digitalen Medien verfallen, empfiehlt der Hirnforscher Liebe und Aufmerksamkeit - allerdings in der realen Welt (etwa in den Familien, in der Schule, am Spielplatz) und nicht online.

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