MIt Dreiklang und Tonleiter

Arvo Pärt wird 75

Seine Biografie enthält alle Zutaten für ein perfektes Hollywood-Drehbuch über ein Künstlerleben. Arvo Pärt: ein aus seiner Heimat Vertriebener und sowohl von der Presse als auch von der Musikwissenschaft Missverstandener; ein Komponist, der eine jahrelange Schaffenskrise überstehen musste, bis er schließlich zu einer Musiksprache fand, die ihn weltberühmt machte.

Karrierestart in der UdSSR

Durchaus vielversprechend hatte die künstlerische Laufbahn des 1935 geborenen Esten begonnen. Bereits als 24-Jähriger wurde er beim "Unionswettbewerb junger Komponisten" mit dem ersten Preis ausgezeichnet, was ihn in der UdSSR bekannt machte. Doch bereits ein Jahr später handelte sich Arvo Pärt eine Rüge der sowjetischen Kulturbehörden ein. Er hatte nämlich in seinem Werk "Nekrolog" die Zwölftontechnik verwendet.

Doch das Arbeiten mit westlichen modernen Kompositionstechniken war von offizieller Seite her unerwünscht. Trotzdem setzte sich Arvo Pärt auch in den folgenden Jahren seines Schaffens mit avantgardistischen Methoden auseinander. Als schließlich 1968 sein Vokalwerk "Credo" bei der Uraufführung einen Skandal auslöste, reagierten die sowjetischen Kulturbehörden mit einem allgemeinen Aufführungs- und Publikationsverbot.

Zeit der Krise

Arvo Pärt durchlebte in dieser Zeit eine künstlerische Krise. Er wollte sich neu orientieren und beschäftigte sich mit Musik aus dem Mittelalter und der Renaissance. Bis auf ein Werk schrieb er acht Jahre lang nichts. 1976 beendete er schließlich sein künstlerisches Schweigen und präsentierte zum ersten Mal seine neue Musiksprache, der er den Namen "Tintinnabuli" gab.

Bei diesem Begriff handelt es sich um eine Abwandlung des lateinischen Wortes für eine kleine Glocke. An den Klang von Glocken muss Arvo Pärt nämlich immer beim Hören eines Dreiklangs denken. Und dieser spielt in seiner Musiksprache eine wesentliche Rolle. "Man kann Musik einfach nur mit zwei Elementen schreiben: mit Tonleiter und Dreiklang. Man muss die zwei Elemente nur richtig miteinander verknüpfen. Und wenn es auf einfachste Weise und sehr streng gemacht wird, dann erreicht man eine fesselnde Kompaktheit."

Wachsende Popularität

Mit seinem "Glöckchen"-Stil stieß Pärt sehr bald im Westen auf große Resonanz. Seine wachsende Popularität außerhalb der UdSSR veranlasste allerdings die sowjetischen Behörden, dem Komponisten die Emigration nahezulegen. Anfang der 1980er Jahre kam er mit seiner Familie nach Wien, ein Jahr später ging er nach Berlin.

Arvo Pärts Werke lösten im Westen zunächst sowohl Faszination als auch Irritation aus. Seine Musik klang ganz anders als die damals zeitgenössischen Kompositionen. Musikkritiker/innen klassifizierten sie als "mystisch". Musikwissenschafter/innen und -theoretiker/innen meinten wiederum, in seinen Werken Rechenoperationen wie bestimmte Algorithmen aufspüren zu können.

Mönchisches Image

Doch diese Prinzipien hatte Arvo Pärt beim Komponieren gar nicht angewendet. Seine zahlreichen Vertonungen von religiösen Texten, aber auch sein sehr zurückhaltendes Verhalten gegenüber den Medien verliehen Arvo Pärt ein geheimnisvolles, mönchisches Image. Und es entstand auch der Eindruck, er wollte religiöse Musik schreiben. Auch davon distanzierte sich der Komponist.

Immer wieder kritisiert wurde Arvo Pärts ästhetische Einstellung, also der bewusste Verzicht auf fortschrittliche kompositorische Mittel. Doch der Erfolg gibt dem Komponisten recht. Er erhielt eine Vielzahl von Preisen, seine Werke werden weltweit aufgeführt, und Estland ist stolz auf seinen einzigartigen Musikbotschafter.