Roma-Abschiebungen verurteilt

Zehntausende protestieren gegen Sarkozy

Gut 100.000 haben am Samstag in ganz Frankreich gegen die international zum Teil scharf kritisierten Abschiebungen von Roma und gegen Präsident Sarkozys neuerliche Offensive in Sachen innere Sicherheit demonstriert. Auch vor einigen französischen Botschaften im europäischen Ausland gab es Proteste.

Mittagsjournal, 05.09.2010

50 Organisationen riefen auf

Rund 50.000 Menschen marschierten laut Veranstaltern in Paris gegen die Sicherheitspolitik der Regierung, ebensoviele gingen in verschiedenen Städten des Landes auf die Straße, darunter auch tausende in Marseille, Lyon, Bordeaux und Toulouse. Rund fünfzig Organisationen hatten zu der Aktion aufgerufen. Demonstranten schwenkten französische Flaggen und riefen "Nein zu Sarkozys unmenschlicher Politik". Vielerorts spielten Musikbands, die Stimmung war insgesamt friedlich.

Nächste Demo gegen Rentenreform

Der Präsident wird nicht nur wegen seines harten Vorgehens gegenüber den Roma angegriffen - Kritiker werfen ihm vor, angesichts 2012 anstehender Wahlen seine rekordtiefe Popularität ankurbeln zu wollen. Für Dienstag sind zudem landesweite Proteste gegen die umstrittene Rentenreform angesetzt, durch die der Präsident das Haushaltsdefizit wieder in den Griff bekommen will. Der Plan, das Renteneintrittsalter von 60 auf 62 Jahre anzuheben, sorgt seit längerem für Unmut. "In den vergangenen Monaten hat sich eine tiefe Wut gegen die Regierung angestaut. Die Dinge kochen jetzt über", sagte Schulleiter Jean-Louis Tetrel.

8.000 Roma bereits abgeschoben

Die französischen Behörden haben seit Jahresbeginn rund 8.000 Roma in deren Heimatländer Rumänien und Bulgarien abgeschoben. Im Juli hatte die Regierung in Paris die Gangart noch einmal verschärft und illegale Roma-Lager aufgelöst. Die Abschiebungen stoßen auch international auf teils scharfe Kritik.

In Paris führte eine Gruppe von Roma hinter Transparenten mit der Aufschrift "Nein zu der unmenschlichen Politik von (Präsident Nicolas) Sarkozy" den Protestzug an, an dem auch zahlreiche Politiker der linken Opposition sowie Gewerkschaftsvertreter teilnahmen. Roma-Vereinigungen trugen Plakate mit Sarkozy-Fotos und der Aufschrift "Sohn von Pétain", in Anspielung auf den früheren Chef des Vichy-Regimes Philippe Pétain, der während des Zweiten Weltkriegs mit den Nationalsozialisten zusammengearbeitet hatte.

Auch prominente Unterstützung

Der sozialistische Bürgermeister von Paris, Bertrand Delanoë, sprach von einem "Tag des Kampfes gegen Rassismus und Fremdenhass". "Man muss bekämpfen, was die Gesellschaft spaltet". In der Hauptstadt versammelten sich am Samstag auch mehrere Künstler, darunter die Sängerin Jane Birkin, vor dem Einwanderungsministerium, um dort zur Unterstützung der Einwanderer ohne gültige Aufenthaltserlaubnis zu singen. Auch in London, Brüssel, Madrid, Barcelona und Lissabon versammelten sich vor Frankreichs Botschaften einige Demonstranten.

Regierung spielt Bedeutung herunter

Die Regierung bemühte sich, die Bedeutung der Demonstrationen herunterzuspielen. "Obwohl rund sechzig Vereine, Gruppierungen und Parteien sie organisiert haben, haben diese sogenannten Menschenrechts-Demonstrationen im Land nur einige zehntausend Menschen zusammengebracht", erklärte Innenminister Brice Hortefeux. Dies sei "zweifellos eine Enttäuschung für die Organisatoren".

In Umfragen verloren Präsident Sarkozy und sein Premierminister François Fillon jeweils zwei Prozentpunkte. Demnach trauten Anfang September Sarkozy nur noch 32 Prozent zu, die Probleme des Landes in den Griff zu kriegen; Fillon kam auf 38 Prozent laut den Zahlen vom Sonntag, die das Institut CSA im Auftrag der Zeitung "Le Parisien" und ihrer überregionalen Ausgabe "aujourd'hui" ermittelte.

Text: APA, Audio: ORF