Roma-Abschiebungen mit Folgen
Großdemo gegen Sarkozy
Rund fünfzig Organisationen haben für Samstag in Frankreich zu Demonstrationen gegen die Abschiebung von Roma aufgerufen. In mehr als 130 Städten Frankreichs sind Kundgebungen geplant. Frankreich hat seit Jahresbeginn rund 8000 Roma in ihre Heimatländer Rumänien und Bulgarien zurückgeschickt.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 04.09.2010
Weltweite Proteste vorangegangen
Keine Geringeren als die UNO, die EU-Kommission, der Papst und die französische Kirche hatten in den vergangenen Wochen Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und seine Regierung an den Pranger gestellt für ihren Umgang mit den in Frankreich lebenden Roma, die zum Teil brutale Auflösung von Camps und die massenhafte Abschiebung nach Rumänien und Bulgarien. Samstag Nachmittag haben über 50 Organisationen, Gewerkschaften und Parteien in rund 130 Städten Frankreichs zu Demonstrationen aufgerufen gegen die, wie es heißt "offen rassistische und fremdenfeindliche Politik" der Regierung unter Präsident Sarkozy, einem Präsidenten, der es nach der Sommerpause mit einem ungewöhnlich angespannten politischen Klima im Land zu tun hat.
Sorge vor Entwicklung im Land
Mehrere kirchliche Hilfsorganisationen, sämtliche Menschenrechtsorganisationen im Land, Vereinigungen, die Immigranten unterstützen, alle Gewerkschaften, sowie die linken Parteien bis hin zu den Sozialisten wollen mit dem heutigen Aktionstag ihre tiefgehende Sorge vor der politischen Entwicklung im Lande zum Ausdruck bringen, angesichts „einer Politik, die offen die Prinzipien in Fragen stellt, welche die Grundlage der Republik sind,“ heißt es in einer gemeinsamen Plattform, die von über 50.000 Bürgern unterzeichnet wurde.
Nicolas Sarkozy, so bedauert der Präsident der französischen Menschenrechtsliga, habe mit seinen ultrarepressiven Vorschlägen zur inneren Sicherheit eine rote Linie überschritten, die Teilnehmer an den heutigen Demonstrationen wollen „ihre Verbundenheit mit der Demokratie in diesem Land zum Ausdruck bringen und vermeiden, dass die Demokratie und die Werte der Republik befleckt würden“.
Empörung auch bei Konservativen
Von einem Schandfleck auf der Fahne Frankreichs hatte bereits der ehemalige konservative Premier De Villepin angesichts von Sarkozys Sicherheitspolitik gesprochen, "welche unwürdig, nicht wirksam und gefährlich sei" und, ebenfalls im konservativen Lager, empörte sich Ex-Premier Raffarin über ein Abdriften nach rechts und sprach von absurden Vorschlägen in Sachen Innere Sicherheit.
Dazu darf man wohl auch Präsident Sarkozys Absicht zählen - welche quer durch alle Parteien für Empörung gesorgt hatte und von Kritikern als Angriff auf die Republik bezeichnet wurde – er wolle eingebürgerten Franzosen, die auf Polizisten und andere Personen mit staatlicher Autorität geschossen hätten, die Staatsbürgerschaft wieder aberkennen – ein Gedanke, der schlicht gegen Artikel Eins der Verfassung verstößt, wonach vor dem Gesetz alle Bürger gleich sind, unabhängig ihrer Herkunft, ihrer Rasse oder Religion. Der Vorsitzende der französischen Bischofskonferenz, Monseigneur Vingt-Trois betonte: "In unserer Gesellschaft macht sich ein ungesundes Klima breit, in dem man sich, zumindest verbal, gegenseitig hochschaukelt".
Und Martin Hirsch, der frühere Präsident der Emmausbrudergemeinde und bis vor wenigen Monaten als Hochkommissar Mitglied der Regierung, stellte angesichts der Ausweisungen von Romas schlicht fest: "Frankreich ist ein Land, das Mittel und Möglichkeiten hat, 15.000 Roma aufzunehmen, angesichts von 62 Millionen Einwohnern".
Streitpunkt Innere Sicherheit
Doch neben dem Vorgehen gegen rumänische und bulgarische Roma, hatten sich Präsident Sarkozy besonders nahe stehende Minister den ganzen Sommer über mit repressiven Vorschlägen zur inneren Sicherheit und der Stigmatisierung von Ausländern und sozial Schwachen in der französischen Gesellschaft regelrecht überboten: Bürgermeister, die nicht genügend gegen Kriminalität tun, sollten bestraft werden, Eltern, die sich nicht genügend um ihre heranwachsenden Kinder kümmern ebenso, den französischen Sinti und Roma, dem so genannten fahrenden Volk werde man Steuerprüfer vorbeischicken, denn Frankreichs Bürger fragten sich zurecht, warum die so große Autos fahren – dies gab der Innenminister zum besten. Angesichts dessen musste sogar Premier Fillon diese Woche zugeben: "Es hat in meinem eigenen Lager eine Reihe von Aussagen gegeben, die ich nicht akzeptieren kann, denn auf diesem Terrain braucht es keine Übertreibungen".
Präsident Sarkozy hatte Ende Juli diese offen demagogische Offensive zum Thema innere Sicherheit gestartet, um die Staats- und Parteispendenaffäre rund um die Milliardenerbin Bettancourt und seinen Arbeitsminister Woerth vergessen zu machen, dies aber ist nicht gelungen und Minister Woerth geht nächste Woche, geschwächter denn je in die Parlamentsdebatte über die für Präsident Sarkozy so wichtige Pensionsreform.