Thomas Bernhards letztes Stück
"Heldenplatz" im Theater in der Josefstadt
Thomas Bernhards "Heldenplatz" war bei seiner Uraufführung von aufgeregten Reaktionen begleitet. 22 Jahre später steht das Stück wieder auf dem Spielplan einer Wiener Bühne. Das Theater in der Josefstadt zeigt Bernhards letztes Theaterstück in einer Inszenierung von Philip Tiedemann.
8. April 2017, 21:58
Kultur aktuell, 07.09.2010
Vor 22 Jahren hat Thomas Bernhard mit seinem letzten Stück "Heldenplatz" das Land gespalten. Schon Wochen vor der Uraufführung am Wiener Burgtheater waren Textpassagen daraus bekannt geworden, die Reaktionen von Politikern, Leserbriefschreibern und Publikum fielen heftig aus. Regisseur Claus Peymann erhielt Beschimpfungsbriefe bis hin zu Morddrohungen, vor dem Burgtheater wurde Pferdemist abgeladen, und die Medien hatten wochenlang ein Topthema.
Dennoch wurde es zum letzten großen Triumph für Thomas Bernhard, der nur knapp vier Monate danach starb. Ab Mittwoch, 8. September steht das Stück wieder auf dem Spielplan, diesmal am Theater in der Josefstadt. Inszeniert wird es von Philip Tiedemann, der eng mit Claus Peymann zusammengearbeitet hat. Premiere ist am Donnerstag, 9. September.
Zeitdokument
Wenn man heute Bernhards Heldenplatz liest oder sieht, dann kann man zwar erkennen, woran sich die Österreicher vor 22 Jahren so gestoßen haben, wirklich emotional nachvollziehbar wird die Erregung allerdings kaum mehr. Es wirkt ein wenig wie ein Zeitdokument und an jenen Stellen im Text, wo 1988 die ersten empörten Zwischenrufe ertönten, kommen bei der Probe vor Publikum die ersten Lacher.
Dieser Abstand ist von Regisseur Philip Tiedemann durchaus beabsichtigt: "Wie man selber alte Briefe liest, die man einmal geschrieben hat, und die ganze Gefühlslage darin wiederfindet aber vielleicht über die Verbissenheit lächeln muss, mit der man damals dem gegenübergestanden ist."
Bernhards Rundumschlag
Ohne Zweifel hat Thomas Bernhard zu einem Rundumschlag ausgeholt - gegen die Österreicher, die Sozialisten, Katholiken und Nazis, gegen die Industrie, Gewerkschaften und die Kirche, gegen die Architekten, die Schriftsteller und das Theater. Gegen all das wettert sein Professor Josef Schuster, der sich aus Angst vor einer neuen Naziherrschaft in den Tod gestürzt hat und nun von allen zitiert wird. Von seiner Haushälterin Frau Zittel, dargestellt von Marianne Nentwich, von seinem Bruder Robert, den der deutsche Schauspieler Michael Degen spielt und seinen beiden Töchtern, Anna und Olga, als die Sona MacDonald und Elfriede Schüsseleder zu sehen sind.
Vermächtnischarakter
Regisseur Philip Tiedemann legt seine Inszenierung mit zweieinhalb Stunden deutlich kürzer und gestraffter an als die vierstündige Uraufführung. Die Bühne ist weiß und kommt mit wenigen Versatzstücken aus. Die Szene im nebeligen Volksgarten mit der grünen Bank weckt Erinnerungen an die Peymann-Inszenierung. Mit Claus Peymann hat Philip Tiedemann sowohl am Burgtheater als auch am Berliner Ensemble eng zusammengearbeitet. Er hat unter anderem schon Bernhards "Der Ignorant und der Wahnsinnige" und sein Dramolett "Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen" inszeniert.
"Ich glaube, dass es ein sehr gutes Stück ist, dass es viele Aspekte hat, die über die reine Fragestellung, wie viele Nazis gibt es heute in Österreich oder wie viel Antisemitismus ist da zu finden, irrsinnig viele Facetten hat, die man jetzt besser begreift und verstehen kann. Und das letzte Stück eines großen Dramatikers hat immer einen gewissen Vermächtnischarakter", so Tiedemann über "Heldenplatz".
Und nun haben die Österreicher, zwei Jahrzehnte nach Bernhards Tod und der umtosten Uraufführung die Chance, das Stück mit einem nüchternen Blick auf seine zeitlose Aktualität hin zu überprüfen.
Service
Thomas Bernhard, "Heldenplatz", ab 9. September 2010, Theater in der Josefstadt,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (zehn Prozent an der Abendkasse)
Theater in der Josefstadt