Der Komponist bei Freud
Mahler auf der Couch
Vor genau hundert Jahren kam es in einem holländischen Seebad zu einem geheimnisvollen Treffen zwischen zwei Größen des Wiener Kulturlebens. Gustav Mahler suchte damals wegen Eheproblemen die Hilfe Sigmund Freuds. Der Film "Mahler auf der Couch" greift dieses historisch verbürgte Ereignis auf.
27. April 2017, 15:40
Mittagsjournal, 07.09.2010
Johannes Silberschneider spielt den Komponisten, als sein Gegenüber Doktor Freud ist Karl Markovics zu sehen. Am Donnerstag kommt der Film in die heimischen Kinos.
Affäre löst Ehekrise aus
Acht Jahre waren Alma und Gustav Mahler verheiratet, als es zur großen Ehekrise kam. Auslöser war eine Affäre Almas mit dem Bauhaus-Gründer Walter Gropius. Die drohende Trennung stürzte Gustav Mahler in tiefe Verzweiflung. Als letzter Ausweg erschien ihm eine Therapie bei Sigmund Freud, dem Vater der Psychoanalyse. Und so kam es zum seltsamen Zusammentreffen dieser beiden ungleichen Männer.
"Der eine will eigentlich nichts sagen. Er will sich zwar helfen lassen, aber er will dem anderen nicht sagen, was wirklich ist. Der andere ist im Urlaub und will eigentlich gar nicht arbeiten. Da bläst ihm ein komischer Wind entgegen", so die Regisseure Percy und Felix Adlon. "Wenn das nicht Mahler gewesen wäre, wäre sich Freud mit ihm nie getroffen."
Komponierverbot für Alma
Als berechnende Femme Fatale wird Alma Mahler immer wieder dargestellt. In der Ehe mit dem fast zwanzig Jahre älteren Komponisten hatte sie jedoch einiges zu erleiden. "Dass Du so werden musst, wie ich es brauche, wenn wir glücklich werden sollen - das ist sicher!", hatte Mahler ihr schon vor der Hochzeit ganz unumwunden geschrieben. Tatsächlich durfte Alma, die früher auch selbst komponiert hatte, in der Ehe ihrer künstlerischen Arbeit nicht mehr nachgehen.
"Er ist ja auch oft als Diktator beschrieben worden, als jemand, der mit Menschenmassen umgehen konnte, aber vor einer Frau kapitulieren muss, die er genauso glaubt regieren zu können wie hunderte von Musikern", sagt Mahler-Darsteller Johannes Silberschneider zum problematischen Charakter seiner Figur.
Almas widersprüchliche Persönlichkeit
Barbara Romaner vom Münchner Volkstheater spielt die Alma und bringt die ganze Widersprüchlichkeit dieser von so vielen Klischees umrankten Persönlichkeit zum Ausdruck. Jugendlicher Übermut steht da neben einer reifen Abgebrühtheit und aufopfernde Hingabe neben offenem Widerstand.
Die Regisseure Percy und Felix Adlon haben sich für ihr Drehbuch so weit wie möglich auf historische Quellen gestützt. Freud selbst hatte in einem Brief die wenigen Therapiestunden mit Gustav Mahler mit dem Graben eines tiefen Schachts durch ein rätselhaftes Bauwerk beschrieben. Neben den schriftlichen Zeugnissen spielte auch die Musik eine zentrale Rolle für den Aufbau des Films. "Was wir verwendet haben, ist der letzte Satz, den Mahler je geschrieben hat, nämlich dieser erste Satz der Zehnten", so Percy und Felix Adlon. "Diese Musik hat alles drin - den Ehebruch, die Liebe, die Verzweiflung, den Versuch, zu verzeihen."
Entstehung der Zehnten wird nachvollziehbar
Der finnische Dirigent Esa-Pekka Salonen hat diesen ersten Satz der zehnten Symphonie im Orchester und zusätzlich noch in Einzelstimmen aufgenommen. Die wurden in den Film eingearbeitet. Die Entstehung dieses zentralen Werks im Schaffen Mahlers wird so nachvollziehbar.
"Mahler auf der Couch" gelingt es, ein lebendiges und amüsantes Zeitporträt zu liefern, ohne in historisierendes Pathos zu verfallen und beweist damit, dass vergangenen Epochen mit einem Augenzwinkern oft besser beizukommen ist, als mit bierernstem Blick.