Iran in Zeiten der Krise
Women without Men
Shirin Neshats Drama "Women without Men" entführt in hochpoetischen Bildern an einen tragischen und viel zu wenig bekannten Wendepunkt in der iranischen Geschichte. Am Freitag läuft der Film in den heimischen Kinos an.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 09.09.2010
Verschleierte und bewaffnete Frauen, die Haut mit Kaligrafien überzogen - mit diesen Bildern wurde Shirin Neshat zur erfolgreichsten iranischen Exilkünstlerin. Letztes Jahr hat Neshat ihren ersten Spielfilm gedreht und damit in Venedig prompt den Silbernen Löwen für die beste Regie gewonnen.
Iran in der Krise
1953 war ein einschneidendes Jahr für den Iran. Damals versuchte der demokratisch gewählte Premierminister Mohammed Mossadegh die von den Briten dominierte Ölindustrie zu verstaatlichen. Großbritannien antwortete mit einem Boykott, der den Iran in eine dramatische Wirtschaftskrise stürzte.
Schließlich wurde Mossadegh mit Hilfe des amerikanischen Geheimdienstes aus dem Amt geputscht und dem Schah, der die westlichen Interessen vertrat, wieder zu uneingeschränkter Macht verholfen. Regisseurin Shirin Neshat war es wichtig, auf die damals bestehende demokratische Tradition im Iran zu verweisen.
Die Wurzeln einer Hassbeziehung
"Ich wollte die Aufmerksamkeit auf dieses historische Ereignis lenken, weil hier die iranische Politik diesen grundlegenden Richtungswechsel erfahren hat. Damals begann der Konflikt mit den Vereinigten Staaten und der Hass zwischen dem Iran und dem Westen. Auch das Fundament für die iranische Revolution wurde damals gelegt und für all die Komplikationen, mit denen wir es heute zu tun haben", erläutert die Regisseurin.
Vor diesem Hintergrund zeigt Neshat die Schicksale mehrerer Frauen. Da ist eine Prostituierte, die der Ausbeutung im Bordell entflieht, eine Angehörige der High Society, die sich aus ihrer Ehe mit einem hochrangigen General löst und eine junge politische Aktivistin. Diese Munis aus dem Film fand ihre tragische Entsprechung während der brutalen Ereignisse im letzten Jahr.
"Auf eine Weise ähnelt die Munis aus dem Film der Neda aus der Realität", so Neshat. "Das war die junge Frau, die während der grünen Revolution vor einem Jahr auf der Straße in Teheran erschossen wurde. Auch wenn sie nur eine unschuldige Zuschauerin und keine Demonstrantin war, wurde sie für die Demonstranten zum Geist dieses Kampfes um Demokratie und zum Mythos."
Metaphern und Symbole
Vor Unterdrückung und Gewalt fliehen die Frauen in einen abgelegenen, paradieshaften Garten. Von den aktuellen gesellschaftlichen und politischen Problemen gelangen sie dort zu zeitlosen und universellen Fragen. Shirin Neshat erzählt ihre Geschichte mit den Stilmitteln des magischen Realismus.
"Diese Verbindung von Poesie und Politik war von Anfang an ein integraler Bestandteil meiner künstlerischen Arbeit", sagt Neshat. "Ich verhandle politische Ideen mit Hilfe von Metaphern und Symbolen. Ich glaube, dass das typisch iranische Ausdrucksmittel sind."
Romanvorlage und Film im Iran verboten
Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Sharnush Parsipur, die wegen ihrer Bücher im Iran im Gefängnis saß. Bis heute ist der Roman im Iran verboten, ein Schicksal, das der Film teilt. Auch für den Dreh musste man deshalb nach Marokko ausweichen, wo in Casablanca das Teheran der 1950er Jahre nachempfunden wurde.
Für die Bilder des Films zeichnet übrigens der österreichische Kameramann Martin Gschlacht verantwortlich. Perfekt gelingt es ihm, die Ästhetik von Neshats Foto- und Videoarbeiten ins Kino zu übersetzen. Und so werden in "Women without men" politische Inhalte in einer hochpoetischen Bildsprache behandelt. Ein interessantes Experiment und eines, das im Gedächtnis bleibt.