Japanische Baukunst für Raiding
Weltarchitektur auf 25 Quadratmetern
Im Geburtsort von Franz Liszt, dem burgenländischen Dorf Raiding, steht seit kurzem ein Konzerthaus zu Ehren des Komponisten. Bisher mangelte es jedoch an Unterkünften für die Gäste des Franz-Liszt-Festivals. Man lud daher 10 japanische Architekturbüros zu einem außergewöhnlichen Projekt ein.
8. April 2017, 21:58
Kultur aktuell, 13.10.2010
Jeder sollte ein Haus entwerfen, das sich als temporäre Unterkunft mit den Themen Wohnen am Land und dem Umfeld des ungarischen Grenzgebiets auseinandersetzt. Die Resultate werden nun als Modellstudien im ArchitekturZentrum Wien gezeigt.
Stararchitekten
Superstars der japanischen Architektur haben sich am Projekt "JapanLisztRaiding" beteiligt, darunter Toyo Ito und Kazuyo Sejima, Kommissärin der diesjährigen Architektur-Biennale in Venedig. Für Selbstdarstellung lässt das Projekt "JapanLisztRaiding" den Teilnehmern wenig Raum, denn die Vorgabe war, den Entwurf auf ein Volumen von 5 x 5 x5 Metern zu beschränken.
Zwischen Kyoto und Raiding
Hiroshi Hara ist in Japan als Architekt von Großprojekten wie dem Sapporo Stadion oder dem Umeda Sky Building in Osaka bekannt. Sein Bahnhofsgebäude in Kyoto ist das zweitgrößte in Japan.
Über die unterschiedlichen Größenverhältnisse meint er: "Ich realisiere Bauwerke aller Größenordnungen, auch kleine Wohnbauten. Wichtig ist immer, dass das Gebäude atmet und lebt - egal wie groß das Bauvolumen ist." Für Raiding hat Hiroshi Hara einen Würfel entworfen, der einem Musiker nicht nur Unterkunft bietet, sondern auch eine kleine Bühne und ein Auditorium.
Wohnen im Erdapfel
Von der burgenländischen Landwirtschaft hat sich der Tokyoter Architekt Terunobu Fujimori inspirieren lassen. Er schlägt für den Liszt-Geburtsort Raiding hängende Häuser aus Naturmaterialien in Form von Karotten und Erdäpfeln vor. Verkleidet werden sollen die Gemüsehütten mit verbranntem Holz - Yakisugi heißt diese traditionelle japanische Holz-Konservierungsmethode.
Auch Terunobu Fujimori orientiert sich am "menschlichen Maßstab". Als Architekt müsse man sich an erster Stelle mit den beteiligten Menschen auseinandersetzen, also mit Bauherren und vor allem Benutzern eines Hauses. Denn in der Architektur gehe es um zwischenmenschliche Kontakte und Dialog.
Die Destruktion des Spektakels
Gerade wenn man auf dem Land baut, wird man als Architekt einer strengeren Kritik unterzogen, als im urbanen Raum, sagt Roland Hagenberg. Er hat das Projekt "JapanLisztRaiding" initiiert. Insofern sei es für die Japanischen Architekten ein Prüfstein. Die zehn Entwürfe für Künstler-Ateliers und Gastwohnungen sind im ArchitekturZentrum Wien als Material- und Gedankenexperimente ausgestellt. Jeder Entwurf drückt eine andere Persönlichkeit aus, meint Hagenberg, und hebt die Schlichtheit hervor: "Es ist die Destruktion des Grandiosen mit einfachsten Mitteln."
Die Ausstellung im ArchitekturZentrum Wien ist bis 27. September 2011 zu sehen, und die Mustersiedlung japanischer Weltarchitektur im burgenländischen Raiding soll nächstes Jahr entstehen. Als Eröffnungstermin für die ersten Minihäuser steht der 22. Oktober 2011 fest. An diesem Tag vor 200 Jahren wurde der Komponist Franz Liszt in Raiding geboren.