Integrationshilfe oder Menschenverachtung?

Debatte um Arbeitspflicht

Der ÖVP-Vorstoß für eine Arbeitsplicht bei Bezug der Mindestsicherung sorgt für heftige Debatten. Das Arbeitsmarktservice ist grundsätzlich dafür, wenn es darum geht, Menschen wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren. Arbeitslosen-Initiativen bezeichnen das hingegen als menschenverachtend und demütigend.

Morgenjournal, 15.09.2010

Keine neue Idee

Der Vorschlag der Familien-Staatssekretärin Christine Marek (ÖVP) sieht vor, dass jene, die eine Mindestsicherung beziehen und länger als sechs Monate arbeitslos sind, zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden sollen. Dieser Vorschlag sei grundsätzlich nicht neu, sagt Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice (AMS). Auch nicht neu sei die Idee, Arbeitslose unter bestimmten Regeln zu Arbeit zu verpflichten. Denn diese Verpflichtung gebe es schon jetzt in der Arbeitslosenversicherung. Demnach müsse eine Arbeit angetreten werden, wenn sie zumutbar ist, ansonsten verliere man einen Teil der Sozialleistungen, erläutert Kopf.

Schon jetzt: "Aktion 4000"

Es gebe verschiedene Projekte zur Wieder-Integration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt, sagt Johannes Kopf. Die umfassten auch bereits gemeinnützige Arbeiten, wie etwa die "Aktion 4000". Dabei zahle das AMS den Gemeinden Lohnzuschüsse für langzeitarbeitslose Notstandhilfebezieher. Diese seien dann von den Gemeinden übernommen worden und für gemeinnützige Tätigkeit eingesetzt worden.

Aus Antriebslosigkeit herausführen

Im Kampf gegen Arbeitslosigkeit gehe es um fördern und fordern mit klaren Regeln, so Kopf. Zwang sei nicht nur etwas Negatives bei einer Arbeitsmarkt-Integration, sondern manchmal auch notwendig, um Leute aus ihrer Antriebslosigkeit herauszuführen. Das Ziel müsse sein, die Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen. Lange Arbeitslosigkeit und viele Enttäuschungen bei Bewerbungen führten bei manchen zu Antriebslosigkeit, die sie nicht mehr daran glauben lässt aus der Situation herauszukommen, so Kopf: "Wenn die Mindestsicherung das Ziel hat, das zu ändern, dann ist auch Zwang eine Methode, um Menschen zu integrieren" - neben Förderung, Qualifizierung und intensiver Betreuung.

"ÖVP macht alle schlecht"

Betroffene sehen das allerdings anders. Karl Frank ist 56 Jahre alt und Sprecher vom Wiener Verein "Zum alten Eisen". Er habe schon 700 Bewerbungen hinter sich und nur immer gehört, er sei schon viel zu alt. Der jetzige Vorschlag sei offenbar Linie der ÖVP, "Erwerbslose zu denunzieren, alle in einen Topf zu schmeißen und schlecht zu machen. Dabei ist grad die ÖVP verantwortlich dafür, dass man so viel Arbeitslosigkeit hat."

Zwangsarbeit menschenverachtend

Susanne Stockinger, Sprecherin des Linzer Vereins "Arbeitslose helfen Arbeitslosen" kritisiert den Zwang zur Arbeit. Arbeit auf ehrenamtlicher und freiwilliger Basis würde sie prinzipiell begrüßen, die einem wertvoller vorkomme, wenn man der Gesellschaft hilft. "Aber Betroffene da jetzt nur reinstecken - wenn ihr nicht brav seid, dann geht’s Straßen kehren - so funktioniert's nicht." Diese Zwangsarbeit sei demütigend und menschenverachtend.