Wichtige Wiedereröffnung in Wien

Rückkehr der Alten Meister

"Rückkehr der Alten Meister" - dieser Slogan kündigt ein wichtiges Ereignis in der Wiener Museumslandschaft an: Am Mittwoch wird die Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste wiedereröffnet.

Im Gebäude am Schillerplatz wird man dann unter anderem Hieronymus Boschs "Weltgerichts"-Triptychon wieder besichtigen können. Am selben Geschoß wie die Altmeister-Galerie wird auch ein neuer Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst eröffnet.

Galeriedirektorin will Handtuch werfen

Ein Schatten fällt jedoch auf den Glanz: Die Galeriedirektorin Renate Trnek will mit Jahresende vorzeitig das Handtuch werfen.

Kulturjournal, 22.09.2010

Renate Trnek, Leiterin der Gemäldegalerie, im Gespräch mit

Großzügiger, übersichtlicher

Die Gemäldegalerie ist geblieben, wo sie war - aber die Räume wirken wesentlich großzügiger, und übersichtlicher. 2,5 Millionen Euro hat die Neuadaptierung gekostet, Akademierektor Stephan Schmidt-Wulffen wie Galeriedirektorin Renate Trnek sind gleichermaßen zufrieden. Die Leiterin bemerkte heute bei der Pressekonferenz: "Es ist so schön geworden, dass ich eigentlich noch fremdle."

Früher waren die hohen Bogenfenster der Galerie verdunkelt und mit Bildern behängt, jetzt dringt Tageslicht herein. Akademierektor Stephan Schmidt-Wulffen hat sich in dem Punkt gegen die Bedenken von Renate Trnek durchgesetzt: "Er wollte Licht, Luft und weiten Raum haben."

Mittagsjournal, 22.09.2010

Lichtspiegelungen bei Boticelli-Rundbild

Das ist der Vorteil. Der Nachteil sind erstens Lichtspiegelungen an bestimmten Bildern - beim Boticelli-Rundbild "Madonna mit Kind und Engeln" erschweren Sonnenlicht-Reflexionen zu manchen Stunden die Betrachtung. Problem Nummer zwei: Es steht um rund 30 Prozent weniger Hängefläche zur Verfügung.

"Die Sammlung hat gewisse Schwerpunkte immer gehabt. Zum Beispiel holländische Malerei - wir haben zwar keinen Frans Hals, aber dafür alle möglichen anderen in allen Spielarten. Das kann man jetzt in der Breite nicht mehr ausstellen, wir müssen sozusagen 'the best of' machen. Wir haben also die ganzen Meisterwerke draußen - das führt natürlich dazu, dass man von einem Superbild zum anderen schreitet, aber die Fülle, aus der man schöpfen kann, nicht mehr sichtbar ist."

Konzentration auf Spitzenwerke

Das kann man auch positiv sehen, nach dem Motto "weniger ist mehr". Durch die Konzentration auf Spitzenwerke kommt das Kaliber dieses Museums noch besser als früher zum Tragen. Das großartige "Bildnis einer Delfter Familie" von Pieter de Hooch zum Beispiel findet ein würdiges Gegenüber in "Ankernden Schiffen" von Simon de Vlieger, einem Gemälde, das nur aus dem Morgenlicht über dem Meer zu bestehen scheint. Auch Werke von Tizian und Rembrandt sind zu sehen.

Die Gemäldegalerie der Akademie beruht auf einer privaten Schenkung: Der 1822 verstorbene Anton Graf Lamberg-Sprinzenstein vermachte der Akademie seine Sammlung.

Der Bosch am Schluss

Früher traf man beim Betreten der Galerie gleich auf das "Weltgerichts"-Triptychon von Hieronymus Bosch, jetzt ist die Chronologie umgedreht: Vom Klassizismus wandelt man durch Barock und Renaissance mit etlichen Cranach-Werken in den letzten Raum, wo Boschs "Jüngstes Gericht" mit seinen bizarren Horrorwesen nun eine eigene Wand bekommen hat - auch das eine gute Idee.

Angesichts der gelungenen Neupräsentation verwundert, dass Renate Trnek mit Jahresende, zwei Jahre vor Vertragsablauf, ihren Posten zur Verfügung stellt. Dahinter liegt eine jahrelange Auseinandersetzung zwischen ihr und dem Rektor. Früher, in einer Phase der Teilrechtsfähigkeit, konnte die Galeriedirektorin autonom agieren. Seit der Ausgliederung der Universitäten ist sie dem Rektor weisungsgebunden - und fühlt sich, auch budgetär, massiv eingeschränkt: "Die Kompetenzen der Gemäldegalerie sind in dem letzten Jahr, rund um diesen Umbau, der der Testfall war, massiv ausgehöhlt worden. Oder es wurde zumindest versucht, sie auszuhöhlen."

Streit um Werbebudget

Der Streit entzündete sich an Fragen wie: Darf ein Museum dieses Kalibers 100.000 Euro in einem Jahr für Werbung ausgeben? Bei einem Bundesmuseum wäre das wohl kein Problem, angesichts der Sparzwänge einer ausgegliederten Uni - und zu der gehört die Gemäldegalerie nun einmal - sehr wohl.

"Im Moment haben wir eine Rechtskonstruktion, in der ich für das gesamte Haus verantwortlich bin, und zu diesem Haus, das sagt das Gesetz auch, gehört die Gemäldegalerie", so Rektor Stephan Schmidt-Wulffen. "Ich kann diese Verantwortung nicht haben, ohne dass ich in die Gebarung der einzelnen Bereiche hineingucke".

Die Besucher der neu eröffneten Gemäldegalerie muss das nicht anfechten. Auch für mehr Komfort ist gesorgt - durch den lang ersehnten Lift und ein neues Foyer. Und in den neuen Sonderausstellungsräumen für zeitgenössische Kunst gleich nebenan ist die Ausstellung "Attitude and Canon" zu sehen. Kurator: Sören Grammel. Arbeiten junger Künstler im Dialog mit Werken der Gemäldegalerie.