Vorfall in katholischem Internat
Sexueller Missbrauch: Klage gegen Republik
Der Republik Österreich droht erstmals eine Klage wegen sexuellen Missbrauchs in der Katholischen Kirche. Ein heute 60-jähriger Mann fordert vom Staat insgesamt 700.000 Euro. Er soll als Kind in einem von der Kirche geführten Internat in Graz missbraucht worden sein.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 06.10.2010
Leben zerstört
Zwölf Jahre alt sei er gewesen, da sei er vom Präfekten im Internat missbraucht worden, schildert der heute 60-jährige Mann. Diese schrecklichen Erlebnisse hätten sein Leben zerstört, er habe mehr als 100.000 Euro für Therapien ausgeben müssen, einen Selbstmordversuch glücklicherweise überlebt, konnte aufgrund seine psychischen Gesundheitszustandes sein Studium nicht fortsetzen und sei später beruflich beeinträchtigt gewesen. In Summe kommt die Anwältin des Mannes Vera Weld auf knapp 700.000 Euro. Das sei berechnet nach einem Parallelstudenten an der Technischen Universität. Ihr Mandant musste dieses Studium abbrechen.
Konkordat als Begründung
Dass sie das Geld vom Bund und nicht von der Kirche fordert, begründet Anwältin Weld mit dem Konkordat, also der völkerrechtlichen Vereinbarung zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Österreich. Somit hat der Staat laut Weld eine Verantwortung gegenüber Zöglingen auch in kirchlichen Einrichtungen. Es gehe um die Sonderprivilegien der Kirche und die Verantwortung des Staates.
Finanzprokuratur prüft
Die Übergriffe sind Anfang der 60er Jahre passiert, sagt Vera Weld, und strafrechtlich eigentlich verjährt. Dennoch muss es für die Opfer so etwas wie Entschädigung geben, fordert die Anwältin.
Die Finanzprokuratur, die die Republik Österreich vertritt, bestätigt, dass diese Forderung eingegangen ist, sie hat nun drei Monate Zeit, darauf zu antworten. Inhaltlich will man dort derzeit nicht Stellung nehmen.
Präzedenzfall für Österreich
Die 700.000 Euro Schadenersatzforderung eines Grazer Missbrauchsopfers wirft einige Fragen auf: Wie viel Schmerzensgeld steht einem Opfer zu, das durch sexuellen Missbrauch massive psychische und berufliche Schäden erlitten hat? Und haftet womöglich die Republik Österreich auch für Opfer von Mitarbeitern der katholischen Kirche? Der 60-Jährige beruft sich auf den Konkordatsvertrag zwischen Kirche und Republik und will die Republik klagen. Doch obwohl in anderen Staaten derart hohe Entschädigungen gezahlt werden, dürfte die Klage des Steirers wenig Aussicht auf Erfolg haben.
Mittagsjournal, 6.10.2010
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- Sexuelle Gewalt