Experte spricht über Ereignisse von damals

90 Jahre Kärntner Volksabstimmung

Am 10. Oktober jährt sich die Kärntner Volksabstimmung zum 90. Mal. Die Südkärntner Bevölkerung entschied sich damals mehrheitlich für den Verbleib der vom Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen besetzten Gebiete bei Österreich. Überraschenderweise stimmten damals auch 40 Prozent der Slowenen für den Verbleib bei Österreich. Versprechungen von damals wurden bis heute nicht umgesetzt.

60 Prozent stimmten dafür

Auch 90 Jahre nach der Volksabstimmung ist der 10. Oktober immer noch das Datum, das Kärnten bewegt. Jedes Schulkind in Kärnten weiß, an diesem Tag des Jahres 1920 hatte sich die Bevölkerung Südkärntens mit einer Mehrheit von knapp 60 Prozent für den Verbleib bei Österreich entschieden. Vorausgegangen war der Abstimmung der Kärntner Abwehrkampf. Das war eine militärische Auseinandersetzung mit den Truppen des sogenannten SHS-Staates, dem Staat der Kroaten, Serben und Slowenen, die in Südkärnten einmarschiert waren. Die Kärntner Landesregierung erteilte die Weisung zum bewaffneten Widerstand. Nach zwei Monaten, in denen das Vordringen der Truppen gestoppt und einige Orte zurückerobert werden konnten, kam es zu einem Waffenstillstand.

"Viele Slowenen wollten keine Jugoslawen sein"

Eine internationale Kommission der Friedenskonferenz von Saint Germain unter amerikanischer Führung machte sich ein Bild vor Ort und kam zum Schluss, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung keine Teilung wollte. Ihr Abschlussbericht wurde zur Grundlage für die Abhaltung der Volksabstimmung, die für den 10. Oktober 1920 fixiert wurde. Wilhelm Wadl ist Leiter des Kärntner Landesarchivs: "Besonders überrascht waren die Amerikaner von der Tatsache, dass es hier in größerer Zahl Slowenen gab, die keine Jugoslawen sein wollten, sondern bei Österreich bleiben wollten und die auf österreichischer Seite militärisch mitgekämpft hatten. Natürlich sahen die Amerikaner auch die geographischen Verhältnisse und dass die Karawankengrenze sowohl wirtschaftlich, als auch militärstrategisch die Südgrenze Österreichs ist. Letztlich ist es dann in den diplomatischen Verhandlungen in Paris zu dieser Lösung einer Volksabstimmung gekommen."

Ergebnis war überraschender Erfolg

Von der Südkärntner Bevölkerung stimmten 59 Prozent, rund 22.000 Personen, für den Verbleib bei Österreich, 15.300 wollten zu Jugoslawien. Auch ein erheblicher Teil der Kärntner Slowenen (etwa 40 Prozent) hatte für Österreich votiert. Für die Republik Österreich war das Kärntner Votum ein überraschender Erfolg. Österreich hatte bei den Verhandlungen in Paris Südtirol verloren und Gebiete der Sudetendeutschen abgeben müssen.

Der erste Erfolg für den neuen Staat, sagt der Historiker Wilhelm Wadl: "Der Vertrag von Saint Germain war für Österreich eine einzige Enttäuschung. Mit einer einzigen Ausnahme, nämlich Kärnten. Das war ja zu der damaligen Zeit alles andere als selbstverständlich, denn es gab ja in anderen Bundesländern fast gleichzeitig Anschlussabstimmungen, etwa an die Schweiz in Vorarlberg, oder eine Abstimmungen für den Anschluss an Deutschland mit ganz großen Mehrheiten in Tirol oder Salzburg. So gesehen waren die Kärntner nach dem Ersten Weltkrieg die einzigen, die sich eindeutig zu Österreich bekannt haben."

"Wien hat Kärnten nicht im Stich gelassen"

Der Mythos, Kärnten sei bei seinem Abwehrkampf allein gewesen und Wien hätte Kärnten damals im Stich gelassen, sei nicht belegbar, sagt Wadl. Im Gegenteil, der Kärntner Abwehrkampf sei die einzige militärische Auseinandersetzung, an der das österreichische Bundesheer jemals beteiligt gewesen sei. "Der Entschluss der Landesversammlung, am 5. Dezember 1918 bewaffneten Widerstand zu leisten, war ein einsamer Entschluss dieses Landesparlaments. Allerdings haben die österreichischen Stellen Kärnten dann sehr wohl militärisch massiv unterstützt. Man kann ja mit gutem Recht sagen, dass der Kärntner Abwehrkampf die einzige bewaffnete Auseinandersetzung größerer Art war, in die das Bundesheer der Republik Österreich jemals verwickelt war", sagt der Wilhelm Wadl, der Leiter des Kärntner Landesarchivs.

Exzesse, Übergriffe und Ermordungen

Kein Mythos ist es freilich, dass der slowenischen Volksgruppe vor der Volksabstimmung versprochen wurde, deren Identität zu erhalten, ob in sprachlicher, wirtschaftlicher oder kultureller Hinsicht. Alles Gründe, dass der 10. Oktober auch heute noch ein Aufreger sei, sagt Wadl. "Man hat sich in den 20er-Jahren um eine Einlösung dieser Versprechen bemüht, es gab Kulturautonomieverhandlungen, die aber gescheitert sind. Dann kam die NS-Zeit mit der massiven Unterdrückung der slowenischen Bevölkerung, mit Vertreibung und Aussiedelung. Es gab dann den Widerstandskampf der Partisanen, es kam zu Exzessen und Übergriffen nach der Befreiung und zur Ermordung von Zivilisten. All diese Dinge sind natürlich eine schwere historische Hypothek: Nach 1945 die Erneuerung der Gebietsansprüche durch Jugoslawien und die jahrelange Unsicherheit, wo die Grenze gezogen wird. All das hat ja seine Beruhigung erst durch den österreichischen Staatsvertrag erfahren", sagt der Leiter des Kärntner Landesarchivs Wilhelm Wadl.