Erika Fuchs, die Übersetzerin der Duck-Comics

Nur keine Sentimentalitäten

Über Erika Fuchs zu reden und nicht ins Schwärmen zu kommen, das fällt schwer. Erika Fuchs war jahrzehntelang, von 1951 bis in die 1970er Jahre, die Übersetzerin der Disney-Comics ins Deutsche, und zwar die einzige, von allen Heften, und als solche hat sie eine ganze Generation von Kindern beeinflusst.

Diese Kinder sind in die Jahre gekommen, sie arbeiten in Forschungsinstituten, als Lehrer, Beamte, im Feuilleton der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Und sie haben dafür gesorgt, dass "Chefredakteurin Dr. Erika Fuchs" - so ist sie offiziell in jedem Heft geführt worden - keine Unbekannte geblieben ist.

Erfinderin von deutschen Wortneuschöpfungen

Erika Fuchs ist 2005 im 98. Lebensjahr gestorben, da hat jeder kulturell Interessierte schon von ihren Verdiensten um die deutsche Sprache gehört: Sie hat Orden bekommen, war Ehrenmitglied der deutschen Donaldisten - das ist ein Fanclub, der sich zu einem Gutteil mit ihren Übersetzungen beschäftigt -, sie wird in einem Lexikon der Verhaltensbiologie genannt als die Urheberin der meisten deutschen Wortneuschöpfungen, und schon zu ihren Lebzeiten, vor 14 Jahren, ist "Das Erika Fuchs Buch" erschienen, 200 Seiten stark und vergriffen.

Aber es gibt immer noch viel zu tun. Zum Beispiel, das hat sich der in München lebende Autor und Feuilletonist Ernst Horst gedacht, sollte man mit der Meinung aufräumen, die Füchsin (so wird sie von Donaldisten genannt, zu denen auch Ernst Horst gehört), die Füchsin also habe vor allem solche Neologismen wie Würg, Stöhn und Ächz hervorgebracht. Hat sie zwar, aber das ist nur die Spitze des Sprachbergs.

Eine eigene Sprachwelt

An den Rest hat sich Ernst Horst gemacht. "Wie Dr. Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte" heißt sein Buch im Untertitel, und der Titel lautet "Nur keine Sentimentalitäten". Das ist gleichmal ein Zitat, und zwar eben nicht eines von der lautmalerischen Sorte, sondern ein Beispiel dafür, wie die studierte Kunsthistorikerin und Kennerin der deutschen und der angelsächsischen Literatur sich bei ebendieser bedient hat.

Sie hat aus dem relativ normalen Umgangston des Originals eine komplexe, teils überdrehte, teils bildungsbürgerliche, manchmal freche, manchmal altvaterische Sprachwelt geschaffen - Linguisten würden sagen: einen elaborierten Code, jedenfalls Dialoge in den Comics, die Kinder nur zum Teil verstanden haben - gemocht haben sie sie offenbar trotzdem.

Namen als Stabreime

Diese eingedeutschte Entenwelt der Donald Dack oder Duck Geschichten hat sich Ernst Horst, Jahrgang 1951, genau angeschaut. Nach Kapiteln eingeteilt, verfolgt er auf fast 400 Seiten die Namen in Entenhausen, Erziehung und Wissenschaft, Literatur, Musik, Essen und Trinken, Fauna und Flora, Mann und Weib, fremde Kulturen, Ideologien und Fug und Unfug.

Nehmen wir ein paar einfache und nahe liegende Beispiele: die Übertragung vieler Namen ins Deutsche, wobei Fuchs auch Stabreime erfunden oder beibehalten hat; also:

Bodo von Blitz, Eitel Eidergans, der Nachbar Schorsch Schurigl, Arnold Bürzli aus Zürich, Bäckermeister Bullerjahn, Senator Seidelbast, Bootsmann Bottervogel, Eichendorf das liebe Backenhörnchen, Greta Grünlich, Doktor Dürrenmatt, Balthasar Brandbichl, Justizrat Wendig, sein Klient Berengar Bläulich - und natürlich Dagobert Duck, Gustav Gans, Daniel Düsentrieb e tutti quanti.

Flachbombe gerettet

Ernst Horst beschränkt sich nicht darauf, diese Namen aus Tausenden Seiten Comics zusammenzutragen und mit dem amerikanischen Original zu vergleichen, er weist auch nach oder spekuliert darüber, wo Frau Fuchs sie hergehabt hat oder haben könnte. Und das nicht nur mit Eigennamen, sondern eben mit dem ganzen Sprachuniversum aus ihrer Feder.

Er geht zum Beispiel akribisch der Frage nach, ob der Fußball-Ausdruck "Flachbombe" von ihr stammt, und kommt zum folgenden differenzierten Ergebnis:

Man findet es zum Beispiel im Hamburger Abendblatt vom 12. Dezember 1949, Zitat: "Seine Flachbombe rauscht unhaltbar ins Netz." Der Begriff wäre aber vielleicht ausgestorben, wenn Erika Fuchs ihn nicht gerettet hätte. Sie liebte immer die bildhaften, zusammengesetzten Wörter wie Ochsenkopf oder Ochsenfrosch. Das gilt auch für Adjektive. Am schönsten klingt es, wenn sie beides kombiniert: stachelhäutige Blattwanze.

Geografische Verwicklungen

Zwischen den amerikanischen Schauplätzen und dem von Fuchs doch eher irgendwo in Europa angesiedelten Entenhausen kommt es immer wieder zu geografischen Verwicklungen, die die Übersetzerin gar nicht aufzulösen versucht hat. Wie Ernst Horst schreibt:

Einmal ersteigert Donald Duck beim Auktionshaus Aumaster versehentlich ein Hausboot, das am Fluss Ohio in Besitz zu nehmen ist. Das ist zwar "entsetzlich weit weg von Entenhausen", aber man fährt doch mit dem Automobil dorthin. Später tritt dann noch ein typisch amerikanischer Sheriff mit Stern und Cowboystiefeln auf. Wer weiß, vielleicht hätte Erika Fuchs aus dem Ohio River den Rhein oder die Donau gemacht, aber einen Sheriff nach Straubing zu versetzen hat sie sich denn doch nicht getraut.

Querbezüge und Anspielungen

Auch den geflügelten Fuchs-Worten geht der Entenhausologe Horst nach, etwa dem Seufzer von Daniel Düsentrieb:

Dem Ingenieur ist nichts zu schwör.

Nicht schlecht auch die Anerkennung durch die Panzerknacker:

Plutokraten verstehen etwas von den Genüssen des Lebens!

Oder der Bescheid des oben genannten Justizrats Wendig:

Sicher, sicher - aber es war alles ganz legal.

Von diesem Anwalt können wir auch Juristenlatein à la Erika Fuchs lernen:

Flicus Flacus Fumdideldacus, auf Deutsch: Wie wollen Sie das Gegenteil beweisen?

Oder:

Pumpus Pincus Malepartus - guter Rat ist teuer.

Und so weiter. Ernst Horst findet unglaublich viele Querbezüge, Anspielungen und Neuschöpfungen in den Übersetzungen der Erika Fuchs, manchmal auch Fehler, Missverständnisse, inkonsequente Eindeutschungen.

Erika Fuchs hätte ihre Freude gehabt

Das Buch ist eine Fundgrube, allerdings auch etwas ermüdend. Das hat damit zu tun, dass Ernst Horst Detail an Detail reiht und die Details dann im Zickzack verbindet - mit aber, natürlich, freilich, allerdings, jedoch, immerhin, bekanntlich. In diese ein bissl faktenhuberische Struktur verpackt er Analyse mit persönlichen Erinnerungen, streut Zeitgeschichte drüber, mischt Amerikakritik drunter und will gelegentlich selber so witzig sein wie sein Sujet. Das gelingt nicht wirklich.

Macht aber nichts. Zum Schluss hat Horst den Bogen raus. Und bevor er Anleitungen gibt, wo und wie man die guten alten Hefte am besten aufspüren kann, holt er noch mal zu einer Wertschätzung der großen Dame der deutschen Nachkriegspädagogik aus. Erika Fuchs hätte ihre Freude gehabt. Wie sie schon einmal, 1980, an einen Donaldistenkongress geschrieben hat, an dem sie nicht teilnehmen konnte:

Söhne der Unvernunft
eure flotte Zusammenkunft
erfüllt mich mit Sehnen.
Doch kommen kann ich nicht
nur wünschen euch viel Glück und wenig Tränen.

Service

Ernst Horst, "Nur keine Sentimentalitäten. Wie Dr. Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte", Blessing Verlag

Blessing - Nur keine Sentimentalitäten