Der 24. Prix Europa
Offenheit als Programm
In Berlin finden derzeit die Präsentationen und Diskussionen zum renommiertesten europäischen Medienpreis, dem Prix Europa statt. Die besten öffentlich-rechtlichen Produktionen aus TV, Radio und Online aus ganz Europa stellen sich der Bewertung. Das Besondere daran, die Produzierenden, die ihre eigenen Arbeiten vorstellen, bilden zugleich auch die Jury der jeweiligen Wettbwerbe.
8. April 2017, 21:58
Strahlender Sonnenschein an der Masurenallee in Berlin, wo im Haus des Rundfunks im gastgebenden Sender Berlin Brandenburg diese Woche rund tausend europäische Fachleute aus den audiovisuellen Medien der Inspiration auf der Spur sind. In einer Woche intensiver Zusammenarbeit wird gemeinsam gehört, gesehen und besprochen - und am Ende der renommierteste europäische Medienpreis vergeben, der Prix Europa.
Radio, Fernsehen und Emerging Media
Ein knappes Vierteljahrhundert bildet Europas größtes Festival für Fernsehen, Radio und Emerging Media - Internet und Social Media - schon die öffentlich-rechtliche Medienwirklichkeit in Europa ab.
“Der Kontinent braucht einen Wettbewerb, um sich zu definieren,” lautet die Überzeugung der Festivalleiterin Susanne Hoffmann, die das Erfolgsgeheimnis des Prix Europa mitentwickelte: “Wir wollen offene Jurygruppen und offene Diskussionen, in denen Profis zusammentreffen, die an Kommunikation glauben.”
Der Medienwelt, die sich der Information, der Transparenz und der Weitergabe wichtiger Sachverhalte verschrieben hat, entspricht das Prinzip des Prix Europa. Auf dem Berliner Festival wird nicht hinter verschlossenen Türen sektiert, sondern anhand spontaner und emotionaler Reaktionen Programm geprüft, gewertet und selektiert.
Fantastisch kryptische Nachbarn
“Der Prix Europa hilft mir sehr zu begreifen, dass wenn etwas kryptisch erscheint, es gar nicht kryptisch ist, sondern es ist einfach dein Nachbar. Und das ist phantastisch.” Diese Formel für den Prix Europa fand Christoph Schlingensief, selbst Teilnehmer, Preisträger und Freund des Festivals, als er 2007 den Preis für das beste Hörspiel an den österreichischen Regisseur Eberhard Petschinka übergab.
Petschinka nahm bereits 1993 das erste Mal am Prix Europa teil, er gewann den Preis vierzehn Jahre darauf mit “Santo Subito” und hat gute Chancen auch dieses Jahr den Prix Europa mitzunehmen. Der Hörspiel-Regisseur Eberhard Petschinka ist auch Maler und Schriftsteller, Tätigkeiten, die in die Radioarbeit einfließen: “Man legt etwas an, man skizziert etwas, manches bleibt als Skizze, manches wird ausgeführt, anderes wird übermalt, dann sind vielleicht auch nur Fragmente von etwas da.”
Nominierung Hörspiel
Eberhard Petschinkas so gestaltetes Radio-Drama “Little Enemyz” basiert auf einem Roman des nigerianischen Schriftstellers Uzodinma Iweala und beleuchtet das Leben eines Kindersoldaten, ein Thema, das Petschinka auch wegen seiner internationalen Relevanz aussuchte: “Das Stück betrifft direkt den europäischen Machtanspruch auf Afrika, die europäischen Waffenlieferungen und die europäischen Interessen. Die Situation in Afrika ist dominiert durch das europäische Kapital.” Das Hörspiel war Teil des umfassenden Afrika-Schwerpunktes „Ke Nako“. Mehr dazu noch weiter unten. "Little Enemyz" hat zuletzt auch den renommierten Prix Italia gewonnen.
In der Kategorie Hörspiel ist der ORF auch mit “DogGod” im Berliner Festivalrennen. Magda Woitzuck konstruierte eine schräge Liebesgeschichte um einen Mann, der im Krieg ist, und eine Frau, die Hunde nieder führt. Das Hörspiel wurde nicht im Studio aufgenommen, sondern wie ein Theaterstück von den Schauspielern gespielt und dabei aufgezeichnet. Die Regie führten Peter Kaizar und Philip Scheiner, die als Team gemeinsam mit der Autorin “DogGod” realisierten: “Das Stück ist zynisch und morbid und lässt viele Fragen offen.”
Nominierung Feature
“Die Programme in so einem zentralem Wettbewerb drücken auch die Lebenswege der Macher aus. Diese Macher haben das Recht kompetent besprochen zu werden.” Sagt der Pate des Prix Europa, Peter Leonhard Braun, selbst eine lebende Radiolegende und immer beim Prix Europa dabei. In der Sparte Radio-Feature macht die österreichische Autorin Isabelle Engels Soziales sichtbar und hörbar, wenn sie das Leben der “Kinder vom Schwedenstift”, einer Einrichtung für Schwerstbehinderte, dokumentiert.
Nominierung Emerging Media
In der Kategorie „Emerging Media“ ist Ö1 mit der Webpräsenz des Afrika-Schwerpunkts vertreten, den Sie zwischen April und Juni dieses Jahres in Ö1 hören konnten. Die Fußball-WM in Südafrika hat Ö1 zum Anlass genommen, in mehr als 200 Sendungen ein differenziertes Bild des gesamten Kontinents zu entwerfen.
Von Zwetschken und Marillen
Insgesamt fällt auf, dass Migration, kulturelle Mixes und globalisierte Welten Europas Medienmacher bewegen. Richard Goll, neben Alfred Treiber der österreichische Feature-Pionier, resümiert das Festivalziel: “Vom Prix Europa gehen die Teilnehmer heim und versuchen, ihre eigenen Zwetschkenbäume so zu züchten, dass die Zwetschken ähnlich ausschauen, wie jene, die sie beim Prix Europa am Marktplatz gesehen haben. Vielleicht wird dann auch die österreichische Marille am Schwarzen Meer kultiviert, weil sie schmeckt und weil sie gefällt.” Gut so, denn schließlich kommt die Arbeit in Berlin ja irgendwann einmal direkt bei den Augen und Ohren des Publikums an, überall in Europa.
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