Neuer Anlauf gescheitert

Regierungskrise ohne Ende

Seit vier Monaten ist Belgien ohne Regierung. Bei den Wahlen Mitte Juni waren die flämischen Nationalisten die großen Sieger. Schier unendlich ziehen sich seither die Koalitionsverhandlungen. Nationalistenchef Bart de Wever muss König Albert II. vom Scheitern seines letzten Anlaufs berichten.

Abendjournal, 18.10.2010

Kompromiss abgelehnt

Bart de Wever, der große Wahlsieger vor dem Sommer, liebt es lateinisch. Fabula acta est, der Vorhang ist gefallen, begrüßte er am Montag die Journalisten mit einem Spruch des römischen Kaisers Augustus auf dessen Totenbett. Damit ist auch der letzte Akt der schier unendlichen belgischen Koalitionsverhandlungen gescheitert. Seinen letzten Kompromissvorschlag zur neuen Kompetenzaufteilung zwischen den Regionen und dem Bund, der den nach Unabhängigkeit strebenden niederländisch sprechenden Flamen mehr Macht gegeben hätte, hatte Bart de Wever am Sonntag vorgestellt. Gleich darauf folgte das Nein der französischsprachigen Parteien. Am Montag legte der Chef der französischsprachigen Sozialisten, Elio di Rupo, der wichtigste Gegenspieler des flämischen Nationalisten nach: Für den belgischen Staat und seine Bevölkerung, ob in Brüssel, in der Wallonie oder im deutschsprachigen Landesteil, wäre das ein Desaster, obwohl die Vorschläge de Wevers in Flandern gut aufgenommen werden.

Streit ums Geld

Nur mehr 30 Prozent der Steuereinnahmen wollen die flämischen Nationalisten beim Bund lassen, kritisieren die französischsprachigen Parteien. Arbeitslosengelder und Kinderbeihilfe kämen in die Kompetenz der Regionen, das wäre das Ende der gesamtstaatlichen Solidarität. Im nördlichen Flandern wirft man dagegen den frankophonen Parteien im Süden mangelnden Realitätssinn vor.

Vier Monate Verhandlungen haben die Volksgruppen in Belgien offenbar noch weiter voneinander entfernt. Wie es weiter gehen soll, ist unklar, König Albert II. muss jetzt den nächsten Schritt setzen. Nicht mehr völlig ausgeschlossen sind Neuwahlen, die allerdings am Streit der Volksgruppen nur wenig ändern würden.

Nicht betroffen ist von der Krise die belgische Präsidentschaft der Europäischen Union: die Fachminister der geschäftführenden Regierung Leterme können sich angesichts der Stillstands der eigenen Innenpolitik ganz auf Europa konzentrieren.