Generalprokuratur rät zu Teilaufhebung der Urteile
Empfehlung: BAWAG-Prozess wiederholen
Knalleffekt in der BAWAG-Causa: Die Generalprokuratur hat in ihrer Stellungnahme zum Urteil im BAWAG-Prozess die teilweise Aufhebung der Urteile gegen Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner und die anderen Angeklagten empfohlen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 19.10.2010
Beschwerden "teilweise berechtigt"
Die Generalprokuratur "zerpflückt" in ihrer 328 Seiten starken Stellungnahme, die der APA vorliegt, das erstinstanzliche Urteil im BAWAG-Prozess. Laut dem Cocquis, der dem Obersten Gerichtshof (OGH) als "Rechtswahrer" beigeordneten Behörde, kommt den Nichtigkeitsbeschwerden von Helmut Elsner, Johann Zwettler und Peter Nakowitz "teilweise Berechtigung" zu. "Wir haben daher die Aufhebung des Strafausspruchs empfohlen", meinte der Sprecher der Generalprokuratur, Wilfried Seidl, Dienstagmittag gegenüber der APA. Der Prozess müsste - sollte der OGH der Prokuratur folgen - somit zumindest in großen Teilen wiederholt werden.
Manche Urteile zur Gänze neu verhandeln
Besonders mangelhaft sind nach Ansicht der Generalprokuratur die von der ersten Instanz getroffenen Feststellungen in Bezug auf den Investmentbanker Wolfgang Flöttl, die Ex-BAWAG Vorstände Hubert Kreuch, Josef Schwarzecker, Christian Büttner, den Ex-BAWAG-Aufsichtsratspräsidenten Günter Weninger und den Wirtschaftsprüfer Robert Reiter. Deren Urteile wären nach Ansicht der Generalprokuratur bereits in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben, gegen die Betroffenen müsste - sollte der OGH dieser Rechtsmeinung folgen - zur Gänze neu verhandelt werden. Wie der Sprecher der Generalprokuratur gegenüber der APA betonte, ist der OGH an die Rechtsansicht der Prokuratur nicht gebunden.
Termin noch vor Weihnachten
Der Oberste Gerichtshof wird noch heuer über die Nichtigkeitsbeschwerden der BAWAG-Angeklagten und die Stellungnahme der Generalprokuratur entscheiden, und zwar am 22. und 23 Dezember. Neben Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner wird in dem öffentlichen Gerichtstag auch über die Rechtsmittel von Elsners unmittelbarem Nachfolger an der BAWAG-Spitze, dem in erster Instanz wegen Untreue zu fünf Jahre Haft verurteilten Johann Zwettler, sowie Ex-BAWAG-Generalsekretär Peter Nakowitz verhandelt. Elsners ehemalige "rechte Hand" hatte vom Erstgericht vier Jahre ausgefasst.
Bandion-Ortner gelassen
Wenig überrascht zeigt sich Bandion-Ortner in einer ersten Stellungnahme: Bei einem Verfahren in einem derartigen Umfang sei nicht zu erwarten gewesen, dass alles halten wird, so Bandion-Ortner. Wesentlich sei, dass wichtige Teile des Verfahrens halten, und darüber werde der Oberste Gerichtshof entscheiden. Und es gebe eben auch sehr wichtige Teile, die die Generalprokuratur nicht beanstande. Ein Rechtsmittelverfahren sei aber eine "ganz normale Sache". Dass Urteile nicht halten, könne jedem Richter passieren. Sie sehe der Entscheidung jedenfalls gelassen entgegen, sagt die Justizministerin.
"Wichtig, dass wesentliche Teile halten"
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner im Mittagsjournal-Interview am 19.10.2010 mit
Rechtsmittel eingelegt
Elsner war am 4. Juli 2008 von einem Wiener Schöffensenat unter dem Vorsitz der nunmehrigen Justizministerin Claudia Bandion-Ortner in sämtlichen Anklagepunkten für schuldig befunden worden, wobei ihm das Gericht eine Schadenssumme von 1,72 Mrd. Euro zulasten der BAWAG ankreidete. Dafür wurden neuneinhalb Jahre Haft verhängt. Gegen das Urteil meldete Elsner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.