Einfluss der Rechten auf die Kultur Schwedens

Volkstanz statt Opernvorstellung

Woran denken Sie, wenn Sie den Ausdruck "schwedische Kultur" hören? An Ingmar Bergman oder Stieg Larsson? Wenn es nach dem Willen der Partei der Schwedendemokraten geht, die in der vergangenen Woche erstmals in den schwedischen Reichstag eingezogen ist, könnte sich das zukünftig ändern. Die Rechtspopulisten fordern mehr finanzielle Unterstützung für Heimatvereine und schwedische Tanzgruppen.

Kulturjournal, 22.10.2010

Auftritt der Ringtanzkinder auf einer Wiese im Freilichtmuseum Skansen in Stockholm. Eine Gruppe von jungen Schweden in bunten Trachten hat einen Ring gebildet. Die Mädchen haben bunt bestickte Kappen auf dem Kopf, die Buben tragen Kniebundhosen und Wollstrümpfe. Regelmäßig treten sie hier auf, um Einheimischen und Touristen das schwedische Volksgut nahezubringen.

Ein Idyll aus verblichenen Zeiten. Für Schwedendemokraten wichtiger Bestandteil schwedischer Kultur, sagt Mattias Karlsson, kulturpolitischer Sprecher der Partei: "Wir sehen das Bedürfnis, die gemeinsame Identität zu stärken. In einer Gesellschaft, die wir als immer stärker gespalten empfinden. Wir wollen den Tourismus zum Kulturerbe fördern und einen Kulturkanon einführen, wie sie es in Dänemark gemacht haben. Heimatvereine und Volkstanzgruppen sollen mehr Geld bekommen, denn sie bilden den Kern schwedischer Kultur."

Schwer zu definieren

Dass die Kultur eine wichtige Rolle im Selbstverständnis der Partei spielt, verwundert nicht. Das zentrale Thema der Schwedendemokraten ist die Einwanderungspolitik. Ihre Forderung nach weniger Zuzug von außen geht mit der kulturpolitischen Maxime einher, die fremde Kultur in Schweden in den Hintergrund zu drängen. Stattdessen wollen sie das fördern, was sie für die wahre schwedische Kultur halten und was ihrem nationalromantischen Ideal von Schweden entspricht. Doch was damit genau gemeint ist, ist schwer auszumachen, sagt der Journalist Daniel Poohl, der ein Buch über die Partei geschrieben hat:

"Ein Anhänger hat mir mal gesagt, es sei schwer, das Schwedentum zu beschreiben. Es sei so ein Gefühl, genauso gut könnte man einen Sozialdemokraten fragen, was die Arbeiterklasse ist. Das ist eine schlampige Argumentation. Sie zeigt, dass sie unfähig sind, das Schwedentum zu definieren. Da wird dann von Traditionen gesprochen es werden alte Tänze aufgeführt, die man bewahren will."

Einfluss auf Kunst an öffentlichen Plätzen

Wie die Partei versucht, ihre kulturpolitischen Forderungen auf regionaler Ebene durchzusetzen, konnte man bereits in den vergangenen Jahren beobachten. In einigen südschwedischen Provinzen ist sie bereits 2006 in die Regionalverwaltungen eingezogen. Im Gemeinderat von Lund etwa stellte einer ihrer Abgeordneten 2007 eine staatlich finanzierte Ausstellung infrage, die Menschen in provozierenden sexuellen Stellungen zeigte. Das Geld könne man besser für konstruktive Zwecke nutzen, im Gesundheitswesen oder der Altenpflege zum Beispiel. Die Anfrage wurde negativ beschieden, eine Woche später wurde die Ausstellung von Neonazis vandalisiert.

Auch wenn der Einfluss der Schwedendemokraten im Reichstag gering ist - sie stellen gerade einmal 20 von über 300 Abgeordneten im schwedischen Parlament - muss man sie ernst nehmen, meint Marten Castenfors. Er ist Leiter der staatlichen Kunsthalle für Gegenwartskunst Liljevalchs und zudem oberster Entscheider, wenn es um neue Kunstwerke im öffentlichen Raum in Stockholm geht:

"Sie können nicht beeinflussen, was hier in der Kunsthalle an die Wände kommt. Hier habe ich einen Etat und die künstlerische Freiheit eine Auswahl zu treffen. Anders ist das, wenn ich mit öffentlicher Kunst in der Stadt arbeite. Da gibt es immer Politiker, die Einfluss nehmen wollen. Und wenn sie nicht für die Avantgardekunst sind, wird sich das auch in den Haushaltsverhandlungen spiegeln. Da besteht das Risiko, dass die Schwedendemokraten gewisse Vorschläge durchbekommen."

Bei den Nachbarn in Dänemark

Wie das aussehen könnte, kann man im Nachbarland Dänemark beobachten. Dort holte die rechtspopulistische Dänische Volkspartei bei der letzten Reichstagswahl vor drei Jahren knapp 14 Prozent der Stimmen und toleriert jetzt die liberal-konservative Koalition im dänischen Parlament. Mit ihrer fremdenfeindlichen Politik hat sie die Einwanderungsdebatte verschärft und in der Kulturpolitik ihre Spuren hinterlassen, sagt Lasse Dencik, Professor in Sozialpsychologie an der Universität Roskilde:

"Es macht sich ein starker Einfluss bemerkbar. Man hat angefangen, das Nationale zu betonen, um einen nationalen Kulturkanon zu erstellen, in der Literatur, im Film, in der Architektur und so weiter."

Marten Castenfors hält solche Entwicklungen für eine Bedrohung der freien Kunst. Seine Institution macht jedes Jahr im Frühling Schlagzeilen mit ihrem Frühjahrssalon, der junge unbekannte Künstler mit oft skurrilen Werken einer breiten Öffentlichkeit vorstellt. Die Aufgabe von Kunst sei es, Gefühle zu wecken und den Betrachter herauszufordern, sagt der Chef von Liljevalchs. Wie sein Haus die geänderten politischen Verhältnisse in Schweden spiegeln kann, darüber denkt Castenfors derzeit nach. Ausgrenzen oder argumentativ aushebeln?

"Ich würde mir wünschen, dass man sie isolieren kann. Gleichzeitig können wir beobachten, dass solche Parteien in Europa auf dem Vormarsch sind. Wenn wir sie isolieren, bekommen sie möglicherweise umso mehr Anhänger."