Opposition kritisiert Atompolitik

Raue Töne im deutschen Bundestag

In Berlin entscheidet heute der Bundestag über die von der Opposition stark kritisierte Laufzeitverlängerung der 17 deutschen Atomkraftwerke. Parallel zu den hitzigen Debatten im Bundestag haben mehrere hundert Demonstranten eine Menschenkette am Reichstag gebildet. Greenpeace-Aktivisten haben die CDU-Zentrale in Berlin besetzt.

Mittagsjournal, 28.10.2010

Aufgeheizte Stimmung

Es herrschte ein rauer Ton am Donnerstag im Bundestag in Berlin. Immer wieder muss Bundestagspräsident Norbert Lammert mahnende Worte sprechen, um die Diskussion wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Das umstrittene Thema ist der Regierungsbeschluss der von der schwarz-gelben Regierungskoalition durchgesetzten Laufzeitverlängerung der insgesamt 17 Atomkraftwerke in Deutschland um acht bis 14 Jahre.

SPD und Grüne hatten vor zehn Jahren einen Atomausstieg bis etwa 2022 beschlossen, der nun damit aufgekündigt wird. Als Gegenzug sollen die vier davon profitierenden Energiekonzerne von 2011 bis 2016 jährlich 2,3 Milliarden Euro an den Bund zahlen.

"Auftragsarbeit der Atomindustrie"

Die Opposition schäumt: "Was Sie hier abliefern, ist nichts anderes, als eine Auftragsarbeit der Atomindustrie", so der Parteivorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel. Ähnliche Kritik hagelt es auch von Gregor Gysi von der Linken: "Vier Konzerne gewinnen und Millionen von Menschen verlieren."

Neben Sicherheitsbedenken bezüglich der Atomkraftwerke selbst beschäftigt die Atomgegner auch die Frage eines Endlagers für den steigenden Atommüll. Jürgen Trittin, Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Grünen kritisiert etwa, dass mit der Sicherheitsüberprüfung des Lagers Gorleben ein ehemaliger Manager eines Atomkonzerns beauftragt wurde: "Das zeigt den ganzen Abgrund von Lobby- und Klientelwirtschaft und das ist unerträglich, wenn es um die Sicherheit der Bevölkerung in diesem Lande geht."

"Energiepolitische Blindgänger"

Die Grünen sind heute übrigens zum Zeichen des Protests einheitlich in Schwarz gekleidet und tragen ein gelbes Kreuz, als Anti-Atom-Symbol.

Die Regierungskoalition lobt das Energiekonzept. Zukunftsweisend sei es und bis 2050 soll der größte Teil der Energie für Deutschland aus erneuerbaren Quellen kommen. Die Kritik des Bundesumweltministers Norbert Röttgen an der Opposition fällt dann auch massiv aus: "Die hier, die nur sitzen können und kritisieren, die sind in Wahrheit energiepolitische Blindgänger. Sie wissen nicht, wie wir die Zukunft schaffen wollen in diesem Land."

Sitzblockaden und Transparente

Atomgegner protestieren seit Wochen gegen die Energiepolitik der schwarz-gelben Regierung. Seit vergangener Woche wird nun von Atom-Gegnern die Blockade des für nächste Woche geplanten Castor-Transports ins Zwischenlager Gorleben geübt.

Vergangenen Samstag wurden entlang der Bahnstrecke Proteste und Sitzblockaden organisiert. Diesen Montag wurde ein symbolischer Castortransport bis zum Bundestag gebracht. Heute haben Greenpeace-Aktivisten das Dach der CDU-Zentrale in Berlin besetzt und ein Riesentransparent entrollt, auf dem sich unter der Überschrift "CDU- Politik für Atomkonzerne" Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Vorstandsvorsitzende des Energieriesen RWE, Jürgen Großmann, mit Schnapsgläsern zuprosten.

Opposition droht mit Verfassungsklage

Die Opposition im Bundestag hat übrigens angekündigt, Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht einbringen zu wollen, da CDU/CSU und FDP das Gesetz zur Verlängerung der Atomkraftwerks-Laufzeiten ohne Zustimmung des Bundesrates in Kraft setzen wollen. Im Bundesrat hat die Regierungskoalition keine Mehrheit. Einer Gesetzesänderung würde hier wohl nicht zu gestimmt werden.