Uraufführung von Johanna Doderers Oper

Der leuchtende Fluss

Am Neuen Theater Erfurt wird die vierte Oper von Johanna Doderer uraufgeführt. Damit wird zum ersten Mal eine Oper der jungen Vorarlbergerin an einem staatlichen Opernhaus aufgeführt.

Doderers letzte Oper "Strom" war eine Eigenproduktion der Komponistin, 2007 uraufgeführt im Museumsquartier. Dort wurde Doderer von dem Schweizer Opernregisseur Guy Montavon entdeckt und für Erfurt angeworben. "Der leuchtende Fluss" behandelt einen Stoff der amerikanischen Kriegsgeschichte.

Kulturjournal, 29.10.2010

Ein Indianer auf Iwo Jima

Noch während der Ouvertüre hebt sich eine schwarze Wand. Auf zwei Ebenen präsentiert sich das Bühnenbild. Die untere Hälfte durchzieht ein gewaltiges rostiges Rohr, zerlumpte betrunkene Indianer sitzen auf dem Boden um einen schiefen Totempfahl herum. Eine riesige Leiter führt aus dem schmutzigen Reservat hinauf in einen leeren lichtdurchfluteten Raum.

Doderers vierte Oper "Der leuchtende Fluss" bearbeitet einen Stoff der amerikanischen Geschichte: Der Pima-Indianer Ira Hayes wird im Reservat für den Zweiten Weltkrieg angeworben und kämpft anschließend als Soldat auf der japanischen Insel Iwo Jima. Als einer der wenigen Überlebenden der Schlacht beteiligt er sich an der Aufstellung der amerikanischen Flagge und wird anschließend zum Kriegshelden gemacht - eine Rolle, die ihn zu Grunde richtet. Die Umstände der Flaggenhissung und das Schicksal der Beteiligten wurden zuletzt in dem Film "Flags of our Fathers" von Clint Eastwood eindrücklich thematisiert. Die Figur des Ira Hayes ist für die Komponistin nach wie vor aktuell:

"Was mich interessiert hat, war seine Herkunft. Er kam aus dem Reservat, er war ein Pima. Das ist ein kleines Reservat in der Nähe von Phoenix. Er war fremd in seinem eigenen Land, er durfte dort nicht heraus. Dieses Fremdsein in seinem eigenen Land, oder das Ausgegrenzt sein, das ist eine Sache, die auch heute passiert - das Abgrenzen, Ausgrenzen, Abwerten auch von anderen Kulturen und deshalb ist diese Thematik heute nach wie vor präsent."

Das verwüstete Reservat

Ira Hayes, gesungen von dem amerikanische Tenor John Bellemer (der übrigens indianische Wurzeln hat), sitzt auf der Leiter mit einer zerrupften Ratte in der Hand. In einer großen Arie erzählt er vom einstmals "leuchtendem Fluss", vom Wasser, das die amerikanischen Behörden umgeleitet und damit den Indianern weggenommen hatten. Danach begann das Reservat sprichwörtlich zu verwüsten. In Worte gepackt hat diesen machtvollen Gesang der Vorarlberger Schriftsteller Wolfgang Herrmann, dessen Kenntnis der japanischen Sprache auch für die Kriegszenen wichtig war.

Darüber hinaus hat Doderer auch Originaltexte der Pima-Indianer in den Chor eingearbeitet: "Ich habe mit Dr. Feest, dem (früheren, Anm.) Direktor vom Völkerkundemuseum in Wien, darüber gesprochen, vielleicht gibt es eine Möglichkeit, die Indianer selbst sprechen zu lassen. Vielleicht gibt es Texte, wo Mythen, Geschichten vorhanden sind. Ich bin dann fündig geworden und habe diese Texte in der Originalsprache einfließen lassen, d. h. das Libretto ist in Deutsch, aber es gibt dann Stellen, wo diese Gesänge in der Sprache der Pima einfließen, so hat mich das dann auch rhythmisch beeinflusst, weil diese Sprache auch wieder einen ganz anderen Sprachrhythmus hat."

Während der Schlacht auf Iwo Jima treffen die verschiedenen Chöre und Sprachen aufeinander, während auf der Bühne die ermordeten Soldaten von der Decke fallen.

Eine eigene Klangsprache

Doderers Werk entsteht nie im luftleeren Raum, sondern immer in enger Zusammenarbeit mit Musikern, Sängern und Autoren, von denen sie sich sehr gerne inspirieren lässt. Die Schmerz- und Glücks- oder einfach die Lebenserfahrung der Textvorlage ist für Doderer ein weiterer wichtiger Ausgangspunkt ihrer Arbeit. Zur Vertonung verwendet sie Elemente aus der tonalen wie der atonalen "ernsten Musik", aber auch aus der Film- und Rockmusik - mit dem Ergebnis einer ganz eigenen Klangsprache.

Bei der Form ihrer Werke und der Zusammensetzung des Orchesters bleibt sie jedoch dem Instrumentarium der klassischen Musik treu. Die Herausforderung liegt für sie in der musikalischen Deutung und Botschaft des Themas:

"Es war mir wichtig, diese Handlung auch in einem anderen Licht zu zeigen, also das nicht schwarz-weiß zu malen, sondern über das hinaus etwas anderes entstehen zu lassen, was vielleicht ein Miteinander aussagt. Ein Mittel, das ich dazu verwendet habe, ist die phantastische Welt der Pima, die es gegeben hat, und dieses Element der Träume und Visionen, das Element des Anderen einfließen zu lassen, das über die gesamte Dauer der Oper das Werk beeinflusst. Es kommt wirklich zu einem leuchtenden Fluss, in dem Sinne, dass diese phantastischen klanglichen Welten überhand gewinnen, dass etwas anderes entsteht, ich möchte, dass wenn man in dieses Werk hineingeht, in die Oper, das emotional mit den Ohren und Sinnen erfasst, dass man danach etwas begriffen hat. Ein hoher Anspruch, den ich auch an mich stelle, Musik ist nicht einfach Untermalung, sondern Musik kann begreifen machen von anderen Dingen auf einer anderen Ebene."

Johanna Doderers 4. Oper "Der leuchtende Fluss” wird am 31. Oktober 2010 am Neuen Theater Erfurt unter der Leitung des Schweizer Opernregisseurs Guy Montavon uraufgeführt. Weitere Vorstellungen sind am 10. und 20. November sowie 3. und 19. Dezember 2010. Für alle Opernfans, die es nicht nach Erfurt schaffen: Die Oper wird Ende dieses Jahres bei dem österreichischen Label Quinton auf CD erscheinen.

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