London für Arme zu teuer

Sparpaket verschärft Wohnraum-Krise

In London wird für nächstes Jahr ein Exodus der Armen befürchtet. Die Regierung von Premierminister David Cameron deckelt im Zuge des eisernen Sparpakets ab April 2011 das Wohngeld für die Einkommensschwachen und verringert die Zahl der Sozialwohnungen. In einem zweiten Schritt wird das Wohngeld sogar noch weiter gesenkt.

Mittagsjournal, 04.11.2010

80.000 Betroffene

London ist eine der teuersten Städte Europas. Wer jetzt schon kaum finanziell über die Runden kommt, steht entweder auf der Straße oder müss sich nach billigeren Wohngegenden außerhalb der Metropole an der Themse umsehen. Nach Schätzungen der Londoner Gemeindevertretungen sind mehr als 80.000 Menschen betroffen. Die Labour Opposition wirft der britischen Regierung soziale und ökonomische Säuberung vor. Diese wiederum sagt, der Staat könne es sich nicht leisten, teuren Wohnraum für Einkommensschwache im Stadtzentrum zu zahlen.

Mieten wurden unerschwinglich

In den 30er-Jahren investierte Großbritannien Millionen in den sozialen Wohnbau in London. In den Slums entstanden neue, erschwingliche Wohnungen für die Arbeiter, die ehemaligen Elendsviertel blühten über die Jahrzehnte auf. In der Folge stiegen auch die Mieten, und die sind heute für den Großteil der Bevölkerung unbezahlbar geworden.

2.000 Euro Miete für drei Zimmer

In Islington, einem Stadtteil nördlich der Londoner City, sind die sozialen Gegensätze besonders stark spürbar, mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt in Sozialwohnungen, in derselben Straße sind aber Immobilien zum Preis von 4 Millionen Euro zu finden. Badrul Hussain lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in einer Drei-Zimmer-Wohnung, sie kostet monatlich umgerechnet mehr als 2.000 Euro. Hussain ist wegen seiner Krankheit arbeitslos geworden, er war früher in einer Sicherheitsfirma als Wachmann tätig. Die Familie ist zu 100 Prozent auf das Wohngeld der Regierung angewiesen, ab nächstes Jahr bekommt sie 400 Euro weniger. "Wie solle er, ohne Arbeit zu haben, das fehlende Geld auftreiben?", fragt Badrul. Der Umzug in eine billigere und damit meist auch schlechtere Gegend außerhalb Londons trennt die Familie von den Verwandten und bedeutet für die Kinder einen längeren Weg zur Schule.

Bevölkerungs-Mix bedroht

Labour Gemeinderatsvorsteher James Murray sagt, allein in Islington würden 600 Familien ihr Zuhause verlieren, die Regierung handle unfair:"In Islington haben wir eine sehr gemischte Bevölkerung, sehr gut verdienende und einkommensschwache Familie und Normalverdiener, wir wollen diesen Mix erhalten und wir sagen, auch arme Familien verdienen es in London leben zu dürfen." Die Gemeindeverwaltungen in London reservieren zurzeit Pensionszimmer und Billigunterkünfte im Umland, um den bevorstehenden Exodus der Armen zu lenken.

"Unfair gegenüber dem Steuerzahler"

Der konservative Abgeordnete Mark Field sagt, die Deckelung des Wohngelds sei richtig: "Wir leben in einem globalen Zentrum hier in London. Es kann nicht sein, dass Familien vom Staat bis zu 45.000 Euro jährlich für die Miete bekommen und in Gegenden wohnen, die sich Normalverdiener nicht leisten können. Das ist unfair gegenüber dem Steuerzahler." Die britische Regierung argumentiert, dass durch die Änderungen beim Wohngeld auch die exorbitanten Preise für Privatwohnungen sinken werden. Miethaie in London müssen sich aber weiterhin keine Sorgen machen, denn die Regierung schränkt nächstes Jahr auch die Zahl der verfügbaren Sozialwohnungen ein, vielen wird gar nichts anderes übrig bleiben als auf winzige teure Wohnungen zurück zu greifen.