Nach der Niederlage der Demokraten

Russland und China beobachten USA

Mit der Rückkehr der Republikaner erkennt man auch in Russland, dass es künftig wohl wieder etwas schwieriger wird. Die Zeit der kühnen Fantasien, Stichwort: atomwaffenfreie Welt, ist wohl vorbei. China wiederum hofft, dass es nach den Wahlen nun nicht mehr im US-Focus steht.

Neue Kehrtwende?

Russland hat nicht so sehr Angst vor den Falken, es wünscht sich vor allem mehr Kontinuität und Berechenbarkeit.

Unter George W. Bush wurde Russland mit den Raketenschirmplänen unter Druck gesetzt. Dann folgte das Reset-Programm von Präsident Obama, das auf einen Neubeginn in den russisch-amerikanischen Beziehungen abzielte, schließlich die Vision einer atomwaffenfreien Welt und die Unterzeichnung des START Nachfolgevertrags. Steht nun also erneut eine Kehrtwende an?

Mittagsjournal, 04.11.2010

Russland will Berechenbarkeit, Georg Dox

Moskau wartet ab

Die Signale sind widersprüchlich und Russland bereitet sich auf alle Eventualitäten vor: In der Duma wurde zumindest der geplante Automatismus in Frage gestellt, der da lautete: Zuerst ratifizieren die Vereinigten Staaten, unmittelbar darauf Russland. Sollte es auf Grund der neuen Mehrheitsverhältnisse in den USA Schwierigkeiten bei der Ratifizierung geben, will auch die Duma die Lage noch einmal prüfen. Soweit jedenfalls der Chef des außenpolitischen Ausschusses Konstantin Kossatschow.

Im Föderationsrat, der zweiten Kammer des russischen Parlaments, sah man die Sache gelassener: Hier hofft man, dass die Ratifizierung des Start Nachfolgevertrages wie geplant über die Bühne geht. Es geht um die Reduzierung der strategischen Atomsprengköpfe von derzeit etwa 2.200 um je ein Drittel. Medwedjew und Obama haben den Vertrag im Mai dieses Jahres unterzeichnet – für beide ein außenpolitischer Erfolg.

Herausforderung vor NATO-Gipfel

Vierzehn Tage vor dem NATO-Gipfel in Lissabon, bei dem Russland als Gast durch Präsident Medwedjew vertreten sein wird, bedeutet eine mögliche Kräfteverschiebung in den USA für Russland eine Herausforderung. Gerade erst hat Präsident Medwedjew gegenüber NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erklärt: „Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit, weil sie die Sicherheit in Europa und in der Welt stärken kann.“ Was im NATO-skeptischen Russland ja schon was bedeutet.

Es ist auch schon einiges passiert: Ohne sich direkt militärisch zu engagieren, unterstützt Russland die NATO Transporte nach Afghanistan. Bei einer gemeinsamen Drogenrazzia haben russische und amerikanische Spezialeinheiten Rauschgift-Produktionsstätten in Afghanistan zerstört. Zentrales Thema bleibt aber, wieweit Russland an den Raketenschirmplänen der NATO beteiligt wird. Russland will schon in der Planungsphase und erst recht in die Kontrolle mit eingebunden werden. Dabei sind sich die russischen Kritiker und auch die russische Öffentlichkeit immer noch sicher, dass sich das Raketenschild – allen Beteuerungen zum Trotz – am Ende doch nur gegen Russland richtet. Ein schwieriges Thema, von dem man in Moskau zumindest eines aber ganz sicher weiß: Dass es ohne klare Vorgaben aus Washington nicht zu lösen sein wird.

China setzt auf Beruhigung

Wenn ein anderes Land wählt, sind die Reaktionen in China darauf für gewöhnlich knapp oder fehlen gänzlich. Bei Wahlen in den USA ist es nicht anders. Dabei war gerade China dort ein großes Wahlkampfthema. Zu Unrecht, so sagt man in China, sei man während des Wahlkampfs als Währungsmanipulator und wirtschaftliche Bedrohung der USA dargestellt worden. Da die Wahl nun vorbei ist, hofft man, dass die Rhetorik nachlässt. Eine frommer Wunsch: denn die Reizthemen sind keineswegs vom Tisch.

Mittagsjournal, 04.11.2010

Chinas neues Selbstbewusstsein, Cornelia Vospernik

US-Politik ändert sich wenig

Man muss keine politischen Stellungnahmen hören um anzunehmen, dass China nach der geschlagenen Wahl in den USA vor allem eines fühlt: Erleichterung. Vorläufig, jedenfalls. Abermals ist nämlich ein US-Wahlkampf mit China-bashing geschlagen. Wer dabei gewinnt oder verliert, ist aus chinesischer Sicht meist ziemlich irrelevant. Die Vergangenheit hat nämlich gezeigt, dass sich die US-Politik gegenüber China in ihren Grundzügen nicht ändert, egal ob Demokraten oder Republikaner das Sagen haben.

Widersprüche aufgedeckt

Wie aber sieht es aus, wenn die USA selbst gespalten sind und der Wahlkampf sozusagen weitergeht? Ein im Massenblatt Global Times zitierter Experte befürchtet, dass erstarkte Republikaner das Wiederaufkochen des Taiwan-Problems bedeuten, denn die Republikaner seien die traditionelle Taiwan-Partei. Man rät Obama, sich der Innenpolitik zu widmen, was er wahrscheinlich ohnehin eher vorhat, als sich mit Taiwan zu befassen.

China werde auf dem Altar der Parteienkämpfe in den USA geopfert, sagt ein anderer Experte. Und das Parteiorgan Volkszeitung erklärt den nächsten Wahlkampf für eröffnet. Ein differenzierterer Kommentar in einer südchinesischen Zeitung hat zuletzt gestaunt: Die US-Amerikaner müssen sich ziemlich widersprüchlich fühlen. Sie wollen Züge, Bahnhöfe, Schulen, aber keine Steuern zahlen. Sie sind ein Land von Einwanderern und wollen keine Einwanderer.

Wachsendes Selbstbewusstsein

Die breite Masse in China sieht es einfacher und delektiert sich an einer Karikatur im Internet, die innerhalb weniger Tage mehr als eine halbe Million Mal angeklickt worden ist und in der ein chinesischer Gelehrter der Zukunft zu den USA nur so viel zu sagen hat: „Jetzt arbeiten sie für uns“.

Dieses chinesische Gefühl eines wachsenden Selbstbewusstseins gegenüber den USA ist weit verbreitet, auch wenn so mancher lieber heute als morgen auswandern würde und auch wenn die Wirtschaftskraft der USA immer noch bedeutend größer ist als die chinesische. Was aber bedeutet diese Wahl in der Realpolitik? In Sachen globaler Klimaschutz ist mit einem geschwächten US-Präsidenten noch weniger zu erreichen als davor. China kann sich also zurücklehnen. In Sachen Wirtschaftspolitik kann China tatsächlich befürchten, dass der scharfe Wind aus den USA weiter wehen wird. Das Thema der chinesischen Währung wird nicht verschwinden – und damit nicht die chinesischen Gegenvorwürfe von US-Protektionismus. Für krass unterbewertet hält man den Renminbi in den USA. Dass eine Aufwertung Arbeitsplätze in den USA schaffen könnte, bezweifeln aber Experten auf beiden Seiten des Pazifiks.

China könnte dennoch einer leichten Aufwertung zustimmen, vielleicht um 5 Prozent, als Gegenleistung dafür, dass man im Internationalen Währungsfonds mehr Stimmrecht erhalten hat. Ein Fehler, glauben chinesische Experten und raten ihrer Führung dringen davon ab. Aber auch chinesische Wirtschaftsexperten müssen staunen: darüber nämlich, wie ein Land, das laufend neue Dollar-Noten und Staatsanleihen druckt, einem anderen Land laufend Manipulation vorwerfen kann.