"Spex" - Das Magazin für Popkultur

30 Jahre cooles Wissen

Aus einem Fanzine für Underground-Musikstile wurde ein Sprachrohr für alternative Wissensproduktion. Seit 30 Jahren erklärt die in Köln gegründete Zeitschrift "Spex" den Musiknerds die Kulturwissenschaft und den Professor/innen die Popmusik.

Deutschland 1980. Die Neue Deutsche Welle dominiert den deutschen Underground mit Bands wie Fehlfarben, Malaria oder D.A.F. In diesem Substrat wird "Spex" geboren. Das achtköpfige Herausgeber/innenkollektiv rund um Leute wie Peter Bömmels, Clara Drechsler und Christof Pracht sieht sich innerhalb einer Szene, die sich als Underground begreift, und das Magazin wird Anfang der 1980er Jahre ein Sprachrohr für Punk, New Wave und Postpunk.

Madonna und Hip Hop

1983 dann schon der erste große Coup. Eine 25jährige Musikerin aus Detroit mit dem Namen Madonna nimmt ihr Debütalbum auf. Und die "Spex" bringt als erstes Magazin ein Interview mit dem neuen Sternchen. Ob es das erste deutschsprachige Interview war, oder gar weltweit, darüber wird noch gestritten.

Gleichzeitig mit dem Durchbruch von Hip Hop ein paar Jahre später und Bands wie Public Enemy, Run DMC, De la Soul oder den Stereo MCs kommt es auch in der "Spex"-Redaktion zu Umbauten. Die Zeit der Cultural Studies bricht an, eine neue Art der Kulturwissenschaften aus dem angloamerikanischen Raum. Die akademische Welt beginnt sich immer mehr mit Alltagsphänomenen zu beschäftigen, und die "Spex" immer mehr mit den Kulturwissenschaften.

Dinge wie Rassismusforschung, Filmtheorie und die Soziologie der Subkulturen rücken in den Fokus der Zeitschrift. Der Untertitel des Magazins heißt ab 1993 nicht mehr "Musik zur Zeit", sondern "Magazin für Popkultur". Autor/innen von damals wie Tom Holert, Mark Terkessidis oder Diedrich Diederichsen haben mittlerweile in der Wissenschaft Fuß gefasst. Diederichsen etwa unterrichtet Kunsttheorie an der Akademie der bildenden Künste in Wien.

Das Aus

Zum Jahreswechsel 1999/2000 kam dann das Ende der selbstverwalteten "Spex". Das Magazin wird an den Münchner Piranha Media Verlag verkauft. Die akademischen Karrieren sind für einige der alten Herausgeber/innen, wie etwa Diederichsen, bereits eingeschlagen, andere wie Wolfgang Tillmanns oder Jutta Koether haben sich als bildende Künstler/innen einen Namen gemacht.

Unter der neuen Herausgeberschaft wird die Zeitschrift aufgeputzt, erscheint durchgehend in Farbe und mit beigelegter Audio-CD. 2006 soll die neue Redaktion nach Berlin umziehen. Sie stellt sich aber kollektiv gegen den Herausgeber und wird unter großer medialer Kritik kollektiv entlassen. Der Umzug kommt trotzdem. Und der neue Chefredakteur Max Dax beginnt von Berlin aus seine Arbeit.

Pop Briefing

"Spex" wäre aber nicht "Spex", wenn sie sich nicht immer noch als Diskursführer begreifen würde. Und so wird im Jänner 2010 das lautstark formulierte "Ende der Plattenkritik" eingeläutet. Nicht mehr einzelne Autor/innen rezensieren seither die Neuerscheinungen, sondern ein Kollektiv ähnlich dem "Literarischen Quartett".

Begründet wird dieser Schritt mit einem Wandel der Öffentlichkeiten. Das Magazin käme der rasanten Meinungsproduktion im Internet nicht mehr hinterher. Den Autor/innen fehle der Informationsvorsprung. Als eine "unglaublich beknackte Idee davon, was die Autorität von Musikautor/innen früher begründet hätte", bezeichnen Kritiker wie Diedrich Diederichsen diesen Schritt.

Trotzdem konnte sich die "Spex" aber wieder einmal ihrer Rolle als popkulturelles Zentralorgan vergewissern, denn die Pop-Briefing-Debatte zieht sich seit mittlerweile fast einem Jahr quer durch das gesamte deutsche Feuilleton. Und im Windschatten davon hat die deutschsprachige Poptheorie wieder einmal einen Schritt vorwärts gemacht.

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