Nestroy-Preisträger im Porträt
Ulrike Kaufmann und Erwin Piplits
Am Montag, 8. November 2010 werden im Wiener Burgtheater die Nestroy-Theaterpreise verliehen. Bereits jetzt steht fest, wer mit dem Preis für das Lebenswerk ausgezeichnet wird: Die beiden Theatermacher Erwin Piplits und Ulrike Kaufmann, die mit ihrem Serapions-Ensemble seit Jahrzehnten die Wiener Theaterwelt bereichern.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 08.11.2010
Charakteristische Theatersprache
1973 haben sich die beiden Künstler kennengelernt; seitdem arbeiten sie zusammen und haben eine charakteristische Theatersprache entwickelt, in der Musik, Tanz und Schauspiel eine gleichwertige Rolle spielen.
Schauplatz der Produktionen ist das Odeon-Theater im 2. Bezirk, die ehe-malige Wiener Getreidebörse mit einem großen Saal im klassizistischen Stil. Schon mehrfach wurden die Produktionen ausgezeichnet, die Arbeit der beiden Theatermacher ist aber auch von finanziellen Nöten begleitet.
Geheimnisvolle Titel
Eine Frau lebt in einem Palast mit vierzig Zimmern, darf jedoch nur neununddreißig davon betreten. Eines Tages widersetzt sie sich dem Verbot und findet in dem geheimen Raum eine Welt der inneren Entfaltung.
"School of Night" lautet diese letzte Produktion des Serapions-Ensembles aus dem Vorjahr. Klassiker der Weltliteratur wie die Geschichten aus Tausendundeiner Nacht, Stoffe aus der Mythologie oder etwa die psychologischen Lehren von C.G. Jung dienen Erwin Piplits und Ulrike Kaufmann als Vorlagen für ihre Produktionen. Diese versehen sie mit geheimnisvollen Titeln wie "nemo nemo loquitur" oder "com di com com".
"Die Auswahl der Themen bezieht sich immer auf die Konstellation des Ensembles. Was uns immer mehr interessiert für unsere 'visuelle Poesie', wie wir es nennen, sind seelische Themen, das Erkennen und Leben seelischer Wahrnehmungen und seelsicher Zustände", erläutert Erwin Piplits.
Langjährige Zusammenarbeit
Piplits und Kaufmann hätten sich "kontinuierlich weiterentwickelt und immer neue Wege beschritten" - so lautet die Begründung der Nestroy-Jury für die Auszeichnung der beiden. Tatsächlich blickt das Künstlerpaar auf eine lange Zusammenarbeit zurück, die einige Stationen durchlaufen hat. 1973 haben Erwin Piplits und Ulrike Kaufmann einander kennengelernt - bei einem Puppen- und Maskenseminar, das Piplits leitete.
Kaufmann, gelernte Grafikerin aus der Steiermark, wollte eigentlich Malerei studieren, entschied sich aus Liebe zum Theater aber dafür, Bühnenbildnerin zu werden - und sei schließlich bei Piplits "picken geblieben", wie sie sagt: "Als ich bei ihm begonnen habe, habe ich Bühne aufgekehrt und solche Sachen. Und ich habe ihn dann gefragt, ob ich die Figuren bemalen darf. Ich habe sehr große Figuren für einen Film bemalt. Als ich fertig war, hat er's angeschaut und hat gesagt: 'Ok, jetzt bist du eingeteilt.'"
Erste Bleibe im Vindobona
Als fahrendes Theater mit Puppen und Masken waren Kaufmann und Piplits auch in ihren ersten gemeinsamen Jahren unterwegs, ehe sie im aufgelassenen Kino Vindobona am Wiener Wallensteinplatz sesshaft wurden. Vom Figurentheater hatte sich das Paar zu dieser Zeit schon entfernt, 1980 erfolgte die Umbenennung in "Serapions-Ensemble".
Nach erfolgreichen Gastspielen und Produktionen wurde das Vindobona zu klein, 1988 übersiedelte das Ensemble in die ehemalige Getreidebörse im zweiten Bezirk und nannte die neue Bühne Odeon-Theater.
Adaptierung des Odeon-Theaters
Die Adaptierung des prunkvollen, aber im Krieg zerstörten Saals zum Theater war auch mit Risiken verbunden, erzählt Erwin Piplits: "Wir haben dazu das Geld eigentlich nicht gehabt, das darf ich heute sagen. Zuerst haben wir nur den Saal oben gehabt und mussten ein eingestürztes Treppenhaus wieder aufbauen, damit man einen Zugang findet. Im Laufe der Jahre haben wir immer mehr Räume dazubekommen, sodass wir jetzt eine schöne Produktionsstätte haben. Aber wir haben acht Jahre gebraucht, um das zu finanzieren. Und wir haben das aus unseren Einspielergebnissen zu 82 Prozent selber finanziert. Es gab ein paar Baukostenzuschüsse, wenn es nicht mehr anders ging."
Der klassizistische Saal als Bühne scheint ideal zu sein für ihre "visuelle Poesie", wie Kaufmann und Piplits ihre Kunst nennen. Umgesetzt werden die Arbeiten von einem elfköpfigen Ensemble aus Tänzern, Schauspielern und einer Sängerin - ein interkulturelles Team, dessen Mitglieder aus sieben verschiedenen Ländern kommen.
Ensemble verjüngt sich
Eine Entwicklung, die Mitte der 90er-Jahre eingesetzt habe, sagt Ulrike Kaufmann: "Sie sind wirklich bei der Tür reingekommen. Wir haben sehr viele Menschen aus Mittelamerika und Südamerika, wo sich ein Großteil erst bei uns kennen gelernt hat. Die Menschen sind im Schnitt zehn Jahr bei uns. Das Ensemble verjüngt sich immer. Nur der Piplits und ich werden älter. Aber das Ensemble ist gleich alt geblieben."
Bald schon soll wieder Neues am Oden-Theater zu sehen sein: "Voilà" wird das Stück heißen und thematisch an die School of Night anschließen. Ob die Premiere tatsächlich Ende Jänner stattfindet, ist fraglich - und zwar aus wirtschaftlichen Gründen. Die jährlichen Subventionen von 690.000 Euro hätten sich seit 18 Jahren nicht erhöht, sagt Piplits. Für die Betriebskosten müsse man zur Hälfte selbst aufkommen, die Produktionskosten seien da noch gar nicht eingerechnet.
Hoffen auf mehr Geld
So könne es schlicht nicht weitergehen, meint Piplits: "Wenn man die Kostennotwendigkeiten der anderen Theater erkannt hat und auch darauf reagiert - was ja auch richtig und gut ist -, dann muss man das auch hier erkennen und darauf reagieren. Wenn man das nicht tut, dann muss man annehmen, dass dahinter eine nicht sehr konstruktive Absicht steht."
Über ihre Auszeichnung freuen sich die beiden Künstler. Doch arbeiten zu können, sagen sie auch mit Blick auf die Kulturpolitik, sei der schönste Preis.
Textfassung: Rainer Elstner