Burgtheater räumt ab

Nestroy-Preise vergeben

Im Wiener Burgtheater wurden am 8. November 2010 zum elften Mal die Nestroy-Theaterpreise in acht Kategorien verliehen. Großer Gewinner war heuer das Burgtheater selbst: Kein einziger Preis ging an diesem Abend an Josefstadt, Volkstheater oder eine der anderen Bühnen des Landes.

Kultur Aktuell, 09.11.2010

"Ganz ohne Preis nach Hause zu gehen, ist Scheiße", meinte Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann im Verlauf der elften Nestroy-Preisverleihung, die erstmals im Haus am Ring stattfand. Hartmann hatte allerdings keinen Grund zur Klage, konnte er doch nicht nur selbst den "Spezialpreis" entgegennehmen, den ihm die Nestroy-Akademie für seine "öffentlichen Proben" von "Krieg und Frieden" von Leo Tolstoi im Burgtheater-Kasino zuerkannt hatte.

Seine Bühne ließ in der ersten Saison seiner Direktion der Konkurrenz schlichtweg keine Chance. Kein einziger Preis ging an diesem Abend an Josefstadt, Volkstheater oder eine der anderen Bühnen des Landes.

Wuttke erfreut über "Willkommensgruß"

Dennoch gab es einige Überraschungen. Zwar wurde die Grande Dame Kirsten Dene erwartungsgemäß als beste Schauspielerin ausgezeichnet, so setzte sich bei den Kollegen Martin Wuttke gegen Klaus Maria Brandauer und Ignaz Kirchner durch, bedankte sich für den "schönen Willkommensgruß" nach seiner ersten Wiener Saison und versprach: "So schnell werdet ihr mich hier nicht mehr los."

Die größte Überraschung erlebte jedoch Paulus Manker, der von Moderator Peter Simonischek schon als Laudator für Martina Stilp als "Pfefferschote in der Wiener Theatersuppe" angekündigt worden war: Der zum zweiten Mal vergebene Publikumspreis ging an das Enfant terrible, das meinte "Sie werden mich nicht sprachlos sehen. Aber es ist knapp dran" und in den folgenden Minuten endlich etwas Spannung in die Veranstaltung brachte.

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Nestroypreis

Kritische Worte von Manker

Manker erinnerte daran, dass diese Sympathiebezeugung des Publikums in einem Jahr erfolge, in dem er eine Facebook-Gruppe "Ich scheiß auf Paulus Manker" geklagt habe und sich auf der "Kurier"-Homepage unter den unbeliebtesten Österreichern in einer Reihe mit Adolf Hitler und Josef F. gefunden habe. Er nutzte die Gelegenheit, u.a. der abwesenden Kulturministerin Claudia Schmied (S) die Leviten zu lesen. Sie sei nie beim Nestroy-Preis, "das geht nicht: Österreich ist ein Ski- und Kulturland. Zum Hahnenkammrennen und zur Nestroy-Gala zu gehen, ist das Mindeste."

Er verwies darauf, dass seine "Alma"-Produktion aus Geldmangel vor dem Aus stehe und freute sich, dass kurz nach ihm Ulrike Kaufmann und Erwin Piplits für ihr Lebenswerk geehrt würden. Diese seien ihm als Kämpfer gegen alle Widrigkeiten immer Vorbild gewesen. Dieser Abend müsse dazu führen, dass der Fortbestand ihres Serapionstheaters gesichert werde, sagte Manker, der sich als Vertreter der freien Szene deklarierte ("Ich bin zwar auch Burgschauspieler, aber das ist nur eine Notlösung"), die an einem solchen Abend krass unterrepräsentiert sei.

Freie Szene wünscht bessere Arbeitsbedingungen

Deren Vertreter sorgten dann auch für die wenigen weiteren kritischen Wort der Gala. Sabine Mitterecker, die nach 2000 bereits ihren zweiten Off-Nestroy entgegennehmen konnte, dankte im Gegensatz zu Manker ausdrücklich der Unterrichtsministerin, dass sie eine Wiederaufnahme der ausgezeichneten "Frost"-Inszenierung im MUMOK ermöglicht habe, wünschte sich aber endlich bessere Arbeitsbedingungen und den Wegfall des typischen Reflexes bei den Subventionsgebern, wenn man an sie ein Projekt herantrage: "Uj, das müssen wir auch noch fördern."

Karl Markovics, der dreieinhalb Jahre als Ensemblemitglied des Serapionstheaters gearbeitet hatte, forderte in seiner Laudatio auf Ulrike Kaufmann und Erwin Piplits den Finanzminister dazu auf, "diesen Preis nicht als Ernte, sondern als Saat zu betrachten".

Regie-Preis an Alvis Hermanis

Der Nestroy für die beste Regie ging an den lettischen Regisseur Alvis Hermanis für "Eine Familie" im Akademietheater, der Autorenpreis an Kathrin Röggla für "worst case". Die Beste Ausstattung lieferte Johannes Schütz für "Das Begräbnis" von Thomas Vinterberg. Bester Nachwuchs wurde Sarah Viktoria Frick mit verschiedenen Rollen in "Adam Geist" von Dea Loher im Akademietheater. Zur besten deutschsprachigen Aufführung wählte die Jury "Volpone" von Ben Jonson in der Regie von Werner Düggelin (Schauspielhaus Zürich).

Der Nestroy für die beste Nebenrolle ging an Johann Adam Oest für verschiedene Rollen in "Der goldene Drache" von Roland Schimmelpfennig im Akademietheater. Er erhielt von Regina Fritsch eine der schönsten Laudationes des Abends ("Wäre er ein Berg, wäre er der Himalaya. Wäre er Hollywood-Schauspieler, wäre er Jack Nicholson. Wäre er ein Sänger, wäre er Enrico Caruso. Wäre er ein Land, wäre er Atlantis...") und dankte mit einer kleinen Wahlrede: "Ich bedanke mich bei meinen Wählerinnen und Wählern. Ich möchte ein Nebendarsteller für alle sein."

Text: APA/Red, Audio: ORF