90 Stunden Fahrt durch Anti-AKW-Blockaden
Castor-Transport am Ziel
Der Castor-Transport mit hoch radioaktivem Atommüll ist nach 92 Stunden im deutschen Zwischenlager Gorleben eingetroffen. Der Transport war am Freitag in Nordfrankreich gestartet, war aber durch umfangreiche Schienen- und Straßenblockaden von Atomkraftgegnern verzögert worden.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 09.11.2010
Aus Gorleben, Johannes Marlovits
Sitzblockade friedlich geräumt
Die Polizeieskorte konnte sich sehen lassen: Vor den Tiefladern mit den Castor-Behältern fuhren jede Menge Polizeiwaagen - dahinter gingen hunderte Polizisten zu Fuß. So legten die elf LKW mit den Castor-Behältern die letzten 20 Kilometer vom Verladebahnhof in Dannenberg nach Gorleben zurück. Ohne Proteste. Zwei, drei Aktivisten haben noch versucht den Konvoi zu stürmen, sie wurden aber von der Polizei sofort festgehalten. Die letzte Sitzblockade mit mehreren tausende Menschen wurde in den Morgenstunden friedlich geräumt.
44 Stunden haben die Demonstranten auf den Weg zum Zwischenlager ausgeharrt. Jetzt ist die Mission erfüllt. Für die Polizei war es der härteste Einsatz, den sie je bei einem derartigen Transport absolvieren musste. Viele Beamte sind erschöpft. Für die Umweltaktivisten war es der erfolgreichste Einsatz, bei einem derartigen Transport, wie Jochen Stay betont.
Comeback der Anti-AKW-Bewegung
Noch nie wurde ein Castor-Transport derart lange verzögert wie in diesem Jahr. Mit immer neuen Aktionen haben Aktivisten die Polizei herausgefordert. Aber die Demonstranten jubeln nicht nur über die gelungene Verzögerung - sie feiern das Comeback der Antiatomkraftbewegung. Geht es ihnen doch nicht nur um den Castor, sondern um die Atompolitik der deutschen Bundesregierung im Allgemeinen.
Die Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke ist für sie nicht hinnehmbar. Schon jetzt gibt es noch immer kein Endlager für den atomaren Müll, den die 17 deutschen Atomkraftwerke produzieren. Mit der Verlängerung der Laufzeiten kommt noch mehr Müll dazu. Irgendwo muss dieser für tausende von Jahren gelagert werden - sicher und kontrollierbar. Eine Lösung dafür ist nicht in Sicht.
Endlagerproblem wieder am Tisch
Die schwarz-gelbe Regierung hat den Erkundungsstopp in Gorleben vor kurzem aufgehoben. Aber Umweltschützer und die Oppositionsparteien fordern eine bundesweite und ergebnisoffene Standortsuche für ein Endlager. Atompolitik und die Bewegung dagegen sind in Deutschland wieder ein Thema.
Was sich zudem in den letzten Tagen und auch bei den anderen Protesten, die es derzeit in Deutschland gibt, Stichwort Stuttgart 21, zeigt ist: die Bürger wollen bei wichtigen Entscheidungen mitsprechen.