Museen und Migration

Reif fürs Museum?

Österreich ist ein Einwanderungsland. So manchem Politiker kommt dieser Satz zwar nur schwer über die Lippen, aber die Zahlen sprechen für sich: Rund 100.000 Zuwanderer kommen jährlich nach Österreich. Ein Großteil davon EU-Bürger. Und bis zu 80.000 Österreicher wandern ihrerseits jährlich aus.

Schon immer haben Menschen ihre Heimat in der Hoffnung auf ein besseres Leben verlassen. Doch die wachsende Mobilität im Windschatten der Globalisierung hat Migration zu einem zentralen gesellschaftspolitischen Thema gemacht. Wie dieses Thema in Museen und Ausstellungen präsentiert werden soll, darüber diskutierten internationale Experten in Wien.

Kultur aktuell, 22.11.2010

In den klassischen Einwanderungsländern Australien, Kanada und den USA gehören sie seit vielen Jahren zur Museumslandschaft: Museen, die sich der Geschichte der Einwanderung widmen. Das größte Einwanderungsmuseum der Welt befindet sich auf Ellis Island in New York. Genauer: in jenem Gebäude, in dem ab 1892 Millionen Einwanderer eine aufreibende medizinische und bürokratische Prozedur absolvieren mussten, bevor sie amerikanisches Festland betreten durften.

Vom Tellerwäscher zum Millionär?

Unter dem Titel "Museum und Migration" fand eine Tagung im Wiener Volkskundemuseum statt, die die Frage stellte, wie Ausstellungsmacher sich dem wichtigen Thema Migration in Zukunft nähern sollen. Jedenfalls anders als in Ellis Island, sagt Kurator und Tagungsteilnehmer Joachim Baur.

Vom Tellerwäscher zum Millionär, so lautet das uramerikanische Erfolgsnarrativ, das in Ellis Island zelebriert wird. Einwanderungsgruppen, die nicht in dieses Schema passen, kritisiert Joachim Baur, kommen im Museum kaum vor. Auch Europas größtes Einwanderungsmuseum, die Cité nationale de l'histoire de l'immigration in Paris, war in der Vergangenheit mit Kritik konfrontiert. Man unterschlage den Zusammenhang der französischen Einwanderungs- und Kolonialgeschichte, monierten Kritiker bei der Eröffnung des Museums 2007.

Werden brisante Aspekte der Migrationsgeschichte in nationalen Gedächtnisorten also bewusst ausgespart? Immerhin gibt es in den USA und in Frankreich Einwanderungsmuseen. Anders als in Deutschland, anders auch als in Österreich. Braucht Österreich ein eigenes Einwanderungsmuseum? Nicht unbedingt, antwortet die Historikerin Regina Wonisch.

Nationale Gedächtnisorte

An die Zuwanderung aus Böhmen, Galizien oder Mähren, die bekanntlich die Wiener Küche nachhaltig geprägt hat, erinnert man sich heute mit verklärtem Blick, während der Ton in aktuellen Integrations- und Migrationsdebatten immer schärfer wird. Könnte ein Migrationsmuseum zur Entspannung der Lage beitragen? Wünschenswert wäre es, denn Multi-Kulti ist nicht gescheitert, wie Angela Merkel vor kurzem festgestellt hat, Multi-Kulti war und ist Realität.