Europa kämpft gegen Schuldenfalle

Irland-Krise: Ansteckung verhindern

Die EU will Irland 85 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, um dem Land zu helfen, die Verschuldung seiner Banken zu verkraften. Nun geht die Angst um, dass die Irland-Krise auf andere EU-Staaten übergreift. Zwischen der Europäischen Kommission, den Hauptstädten der Eurostaaten und den Zentralbankern laufen die Drähte heiß, um eine Ansteckung anderer Staaten zu verhindern.

Mittagsjournal, 26.11.2010

Wird Euro-Rettungsschirm ausgeweitet?

Der Zusammenbruch der Eurozone ist undenkbar, diese Botschaft wiederholen die Verantwortlichen in Brüssel, Paris und Berlin unablässig. Klaus Regling, der deutsche Chef des Euro-Schutzschirmes, argumentiert, dass ein Ende der Gemeinschaftswährung wirtschaftlicher Selbstmord wäre. Angela Merkel klang zu Wochenbeginn noch beosnders alarmierend, nun beruhigt sie, sie sehe optimistischer in die Zukunft, als noch vor einem Jahr. Deutschlands Vertreter in der Europäischen Zentralbank, Axel Weber, kann sich sogar eine Ausweitung des Euro-Rettungsschirms vorstellen, sollten die gegenwärtigen 750 Milliarden Euro nicht ausreichen, um neben Irland auch noch Portugal und Spanien aufzufangen.

Überlebenskampf der Gemeinschaftswährung

Die Notwendigkeit solcher Versicherungen zeigt, wie angespannt die Situation durch den Absturz Irlands geworden ist. In den Meinungsseiten der großen internationalen Finanzblätter ist seit Tagen von einem Überlebenskampf der europäischen Gemeinschaftswährung die Rede, mit unsicherem Ausgang. Nicht nur wegen Griechenland und Irland alleine, sondern weil die europäischen Politiker keinen Weg gefunden hätten, die Gefahr einer drohende Kettenreaktion zu bannen.

Zinsen für Staatsschulden steigen

Unter den europäischen Finanzexperten kursiert der Plan, den Euro-Rettungsschirm nicht nur für Irland, sondern auch für Portugal aufzuspannen, um ein Übergreifen des Bazillus auf das viel größere Spanien zu verhindern. Dagegen wehrt sich aber die sozialistische Minderheitsregierung in Lissabon, die daran erinnert, dass Portugal weder mit einer Immobilienblase zu kämpfen hat, noch durch besonders riskante Bankgeschäfte belastet ist. Ob Spanien überhaupt gestärkt würde, wenn Portugal EU-Unterstützungsgelder bekommt, kann niemand mit Sicherheit sagen. Erstaunt registriert die International Herald Tribune, dass auch völlig stabile Staaten wie Deutschland, Frankreich und Österreich plötzlich höhere Zinsen für ihre Staatsschulden zahlen müssen. Kein ungewöhnlicher Vorgang in einer schwierigen Phase, heißt es in der EU.

Spaltung in Euro-Süd und Euro-Nord möglich

Gestern Abend haben sich Angela Merkel und Nicolas Sarkozy über ein gemeinsames Vorgehen verständigt. Ohne eine entschlossene Initiative des Führungsduos der EU scheint eine weitere Auseinanderentwicklung schwer zu bremsen. Auf den Meinungsseiten der europäischen Zeitungen spekulieren die Experten, die Spaltung der gemeinsamen Währung in einen weicheren Euro-Süd rund um Italien und Spanien und den harten Euro-Nord rund um Deutschland, sei nicht mehr auszuschließen. Die Frage, wo das EU-Kernland Frankreich dann bliebe, im harten Norden oder im weichen Süden, sparen die meisten Essayisten aus.

Weitere Vorgehensweise völlig unklar

Harte Fakten und gesicherte Informationen sind in Umbruchphasen rar. Selbst die verantwortlichen Akteure sehen in dem ungewohnten Kräftemessen mit den internationalen Finanzmärkten über den unmittelbar nächsten Schritt oft kaum hinaus. Und bis zuletzt war selbst noch offen, wie genau das Irland-Hilfspaket aussehen wird und wann es beschlossen werden soll.

"Portugal ist logisches nächstes Ziel des Rettungsschirms"

Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen-Zentralbank, im Ö1-Mittagsjournal Interview mit

Druck auf Portugal steigt

Die anderen Euro-Länder drängen Portugal, ebenfalls bald unter den Rettungsschirm zu schlüpfen. Der Chefanalyst der Raiffeisen-Zentralbank, Peter Brezinschek, geht davon aus, dass hier schon in den nächsten Tagen die Weichen gestellt werden. Die spanischen Banken seien die größten Gläubiger in Portugal, eine Absicherung Portugals würde zur Entspannung der Lage beitragen, meint Brezinschek.

Sollte auch Spanien den Rettungsschirm in Anspruch nehmen müssen, sei das verkraftbar. Allerdings müsse dann Schluss sein, um einen möglichen Dominoeffekt auszuschließen. Für Italien sieht Brezinschek derzeit keine unmittelbare Gefahr. Trotz des Rettungsschirmes sind die großen Anleger zurückhaltend, was irische Staatsanleihen betrifft. "Wer wird sich heute eine zehnjährige Staatsanleihe kaufen, wenn er mit einem Kapitalausfall von bis zu 40 Prozent rechnen muss", sagt Peter Brezinschek. Daher sei es wichtig, beim nächsten EU-Gipfel für mehr Klarheit zu sorgen.