EU sieht Überlebenskrise

Euro-Länder driften auseinander

Wir sind in einer Überlebenskrise - mit diesen Worten hat EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy vor einem Zerbrechen der Eurozone und der EU gewarnt. Die Krise um Irland hat neuerlich gezeigt, wie unterschiedlich die Euro-Länder wirtschaftlich da stehen.

In den letzten zehn Jahren sind sie bei der Wettbewerbsfähigkeit auseinander gedriftet, und auch im Steuer-System gibt es große Unterschiede.

Mittagsjournal, 17.11.2010

Nadja Hahn und Paul Schiefer

Merkel: Süden muss wettbewerbsfähiger werden

Erst Dienstag Abend hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel das Problem angesprochen - in einem Interview mit dem deutschen Fernsehen hat sie die südlichen Euroländer dazu aufgefordert, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Auch Volkswirtschafts-Professor Herbert Walther von der Wirtschaftsuniversität Wien schlägt in dieselbe Kerbe. Wenn die Eurozone Bestand haben soll, dann müsse sich die Wettbewerbsfähigkeit der südlichen Mitgliedsländer dramatisch verbessern: seit Beginn der Euro-Zone gibt es ein Auseinanderdriften der Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Ländern. Einer der Gründe ist die Zurückhaltung bei den Lohnerhöhungen in Deutschland im Gegensatz zu Südeuropa.

Auch Deutschland gefordert

Dieses Auseinanderdriften könne man nur sehr langfristig wieder umkehren, also etwa in den nächsten zehn Jahren. Um das zu erreichen, müssen die Löhne in den südeuropäischen Ländern langsamer als bisher steigen, um die Lohnstückkosten wieder ins europäische Mittel zu bringen.

Aber nicht nur die südeuropäischen Länder wie Portugal, Spanien und Italien sind gefordert, auch starke Export-Länder wie Deutschland müssten handeln, sagt Professor Herbert Walther. Und zwar, in dem sie die Inlandsnachfrage ankurbeln. Man könne die ganze Anpassungslast nicht Portugal uns Spanien überlassen.

Genau das hat zuletzt die deutsche Regierung immer wieder abgelehnt. Herbert Walther von der WU-Wien bleibt aber dabei: das sei der einzige Ausweg, um die Spannungen in der Eurozone abzubauen.

Irland als Gefahr gesehen

Auseinander gedriftet sind die Euroländer auch bei der Steuerpolitik. Die Steuersätze sollen sich angleichen, fordern viele Experten, das ist in der EU schon ein altes Thema, kocht aber jetzt am Beispiel Irland wieder auf: Irland hat mit seiner niedrigen Körperschaftssteuer von 12-einhalb Prozent jahrelang Investoren ins Land gelockt.

Als Bedingung für den Hilfskredit könnte die EU aber verlangen, dass Irland die Steuer anhebt damit mehr Geld in die Staatskassen kommt - und weil Ländern wie Deutschland und Frankreich, die Irland helfen müssen, dieser Steuervorteil schon lang ein Dorn im Auge ist, sagt Gottfried Schellmann, der der Europäischen Steuerberatervereinigung vorsitzt: die große Angst Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens ist die Abwanderung durch den Niedrigsteuersatz in Irland.

Kein Wille zu harmonisierten Steuersätzen

Die Körperschaftssteuer innerhalb der EURO-Zone variiert enorm, Estland, das ab Jänner dabei ist, hebt gar keine Körperschaftssteuer ein, Malta 35 Prozent, Österreich hebt 25 Prozent ein.

Auch bei Lohnabhängigen Abgaben wie den Sozialversicherungsbeiträgen gäbe es große Unterschiede, die einigen Ländern große Wettbewerbsvorteile bringen.

Dass es im Zuge der Krise zu einer Harmonisierung der Steuersysteme in Europa kommt, glaubt Schellmann nicht, es fehle der politische Wille aus Angst vor den Wählern.

Noch ist der Plan die europäischen Steuern zu harmonisieren also eine scheinbar unlösbare Aufgabe. Fazit: Die Wirtschaftspolitik Europas auf einen Nenner zu bringen, ist also ein sehr langfristiges Projekt.