Anarchische Künstlergruppe aus Russland
Respektloses in den Kristallwelten
Blue Noses ist die erfolgreichste und wohl auch witzigste Künstlergruppe aus Russland. In ihren anarchischen Performances zieht sie alles, was unantastbar erscheint, durch den Kakao. In den Kristallwelten Wattens vergreifen sie sich nun an Architekturmonumenten wie dem Taj Mahal.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 26.11.2010
Ihren Namen haben sie nicht von der Kälte Sibirien wo sie herkommen, sondern vom Herumgealbere" mit blauen Plastikverschlüssen. Blue Noses gehören zur neuen Generation russischer Künstler - sie sind clownesk, albern, ernst, chaotisch und neigen zur Anarchie. Eigenschaften, die sie nur zu oft in Konflikt bringen, mit denen die im Lande Russland das Sagen haben.
Sie machen Kunst gegen politische Macht und gegen Klischees. Niemand ist vor ihnen sicher - denn Blue Noses ist gar nichts heilig und sie scheinen auch nichts zu fürchten - die russische Mafia wird vom Künstlerduo ebenso aufs Korn genommen wie die Bewohner des Kreml. Und diese sind bekanntlich empfindlich.
Arbeiten konfisziert
2007 konfiszierte Moskau Werke der Künstler für eine Ausstellung in Dresden, und im selben Jahr rief das russische Kulturministerium Arbeiten aus Paris zurück - Stein des Anstoßes war ein Foto mit zwei sich küssenden russischen Polizisten. Das empfand das Land des sozialistischen Bruderkusses als "politische Provokation". Und so wären Blue Noses nicht sie selbst, würden sie sich in ihrer neuen Arbeit in Tirol mit dem Zauber des Kristalls begnügen. Den beiden Künstlern ist es gelungen, auch im Kristallpalast des Riesen ein wenig Anarchie einziehen zu lassen - wenn sie das auch niemals zugeben würden.
"Als wir das erste Mal das Museum ashen, hat sich der Traum verwirklicht. Denn hier haben wir diese Welt gesehen, die wir uns im Traum vorgestellt haben", so Slava Misin von Blue Noses.
Vier Jahre an Kristallen gearbeitet
Vier über 100 Kilo schwere Kristallnachbauten von berühmten Bauwerken sind entstanden. Blue Noses haben Modelle vom Taj Mahal, dem Lenin-Mausoleum, dem Empire State Building und der Cheops-Pyramide gezeichnet. Vier Jahre hat es gedauert, bis die Techniker des Kristallkonzerns diese Zeichnungen dann in viele Kilogramm geschliffenen Kristall verwandeln konnten.
Eine nicht nur was die technische Herausforderung betrifft mutige Entscheidung. "Es macht mir eine besondere Freude, dass wir eine gewisse gesellschaftspolitische, anarchische Geistigkeit mit dieser traditionellen Tiroler Glaschristallschleifkunst verbinden konnten", so Geschäftsführer Andreas Braun. "Und ich glaube, dass in dieser Synthese ein Reiz liegt."
Respektloser Umgang mit Insassen
In den prächtigen Palästen befinden sich kurze Videoinstallationen, die sich - wie sollte es anders sein - respektlos mit den eigentlichen Insassen der berühmten Grabmäler und Gebäude beschäftigen. Da wettert Lenin gegen seine Besucher und König Cheops vergeht sich an einem Ausgräber.
"In den Monumenten leben ja normalerweise Stars und berühmte Persönlichkeiten. Die meisten davon sind nach ihrem Tod berühmt geworden. Nachdem sie gestorben sind, werden sie verehrt und glorifiziert. Aber das ist ja nicht real, das spielt sich nur in unseren Köpfen ab. Wir machen sie dazu. Wir wollten sie verjagen und durch ganz normale Menschen ersetzen. Und jetzt wohnen eben normale Menschen darin, keine Stars mehr", sagt Slava Misin.
"Famos" - so der Titel der Ausstellung - ist zwei Jahre lang in den Kristallwelten zu sehen. Und nicht nur dort: Eine zweite Serie wird von der Wiener Galerie Knoll in den nächsten Jahren auf Ausstellungen und Kunstmärkten gezeigt werden. Erste Präsentation ist am 9. Dezember 2010 in Wien.
Textfassung: Rainer Elstner
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