50-Jahr-Feiern in Graz

Rosen für die "manuskripte"

Mit einem Fest im Schauspielhaus und in der Aula der Alten Universität Graz hat die deutschsprachige Literaturszene das 50-Jahr-Jubiläum der Literaturzeitschrift "manuskripte" gefeiert. An die 150 Dichter und Verleger waren gekommen, um Herausgeber Alfred Kolleritsch und seinen manuskripten Rosen zu streuen.

Kulturjournal, 06.12.2010

"Die Städte leben ja von einem Geistigen", so Hubert Burda. "Und das hat er. Graz ohne den Alfred gäbe es nicht. Es existiert nicht." So definitiv und apodiktisch wie Großverleger und Medienzar Burda hat's uns Grazern schon lange keiner gesagt.

Aber natürlich hat er nicht ganz unrecht, denn Alfred Kolleritsch hat mit seinen "manuskripten" über Jahrzehnte die zeitgenössische Literaturgeschichte mitgeschrieben. Und schon früh hat er über den heimischen Tellerrand geblickt - nach Deutschland oder in die Schweiz.

Kulturjournal, 06.12.2010

Interview mit Alfred Kolleritsch

Literarische Eingemeindung

Autor Urs Widmer erinnert sich: "Ich habe vor 42 Jahren zum ersten Mal einen Text dort veröffentlich. Und seitdem immer wieder sozusagen alles, was ich hatte. Das bedeutet ja wohl, dass es für mich eine Heimat geworden ist und die literarische Zeitschrift überhaupt. Als ich um die 30 war und anfing, habe ich sehnsuchtsvoll nach Schwestern und Brüdern gesucht, nach einer Solidaritätsgruppe mit ähnlichen literarischen Ideen und Zielen. Die habe ich in Graz gefunden und nicht an anderen Orten - zum Beispiel nicht in der Schweiz. Und dann bin ich mehr oder weniger - literarisch gesehen - ein Österreicher geworden."

Und schon früh hat man die "manuskripte" auch im Ausland wahrgenommen - etwa der ungarische Autor Peter Esterhazy: "Als ich jung war, waren die 'manuskripte', um es mit großen Worten zu sagen, die Rettung. Als ich in Ungarn angefangen habe zu schreiben, fühlte ich mich so einsam. Das war für mich ein Zuhause. Etwa die Text von Frischmuth oder Handke..."

Jugend, Schönheit, Unvergänglichkeit

Ins Schwärmen – wenn er an die manuskripte denkt – gerät Verleger Michael Krüger vom Hanser Verlag: "Für mich bedeuten sie Jugend, Schönheit, Unvergänglichkeit. Und dass sie 50 Jahre alt werden, bedeutet für mich, da ich sie von Anfang an kenne, dass ich jetzt auch schon sehr alt geworden bin. Und ich gebe selber eine Zeitschrift heraus, die 'Akzente'. Sie wurde nicht von mir gegründet, aber ich weiß, was für eine unendliche Mühe das ist, die Literatur jedes Vierteljahr wieder neu zu erfinden."

Prägend waren die "manuskripte" auch für Robert Menasse: "Das ist ein Fixstern am österreichischen Literaturhimmel. So etwas wie der Stern des Südens, nach dem sich die Seefahrer auf den Weltmeeren orientieren - so hat man sich über Jahrzehnte hinweg in Österreich an dem Fixstern 'manuskripte' orientieren können. Was wird produziert, was wird geschrieben, wer taucht plötzlich auf, wer fasziniert...? Man kann sagen, dass die 'manuskripte' über lange Zeit so etwas wie ein Schrittmacher der deutschsprachigen Literatur insgesamt waren. Das war auch mein größter Stolz, als ich zum ersten Mal in den 'manuskripten' veröffentlichen konnte. Das war das Zentralorgan der Literatur, vor der uns die Deutschprofessoren im Gymnasium gewarnt haben."

Wichtige Informationsquelle

Und auch für Verleger Jochen Jung waren die "manuskripte" stets eine wichtige Informationsquelle: "Jemand aus meiner Generation, der sich für die Literatur interessiert hat, hat eigentlich mit den 'manuskripten' Lesen gelernt. Und wenn man wissen wollte, was sich gerade in der Literatur tat, dann hat man es dort lesen können und hat sich auch daran begeistern können und hat auch viel lernen können."

Ein kleines Haar in der Suppe fand nur Peter Handke, der selbst ja sehr viel in den "manuskripten" veröffentlicht hat. Er mutmaßt, dass Alfred Kolleritschs eigenes Schreiben durch die Herausgebertätigkeit zu kurz gekommen sei: "Für mich wäre es viel schöner gewesen, wenn der Alfred Kolleritsch sich auf seine eigenen Dichtungen konzentriert hätte. Prosa, Romane - Alfred ist ein großer Lyriker und ein guter Prosaiker. Ich hätte mir gewünscht, dass er sich ab einem Moment mehr auf seine eigene Arbeit konzentriert. Jedenfalls bin ich ewig dankbar, dass es ihn gegeben hat - als Dialogpartner und als gütigen Menschen, als kritischen Menschen."

Textfassung: Rainer Elstner

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